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Destillierte Klassiker – von Uwe Nielsen

3. September 2013 · Keine Kommentare

Es gibt doch noch viel mehr Fans als man sich das erhofft hat – jedenfalls bekomme ich zur Zeit wirklich viele Anfragen. Am meisten nachgefragt ist nach wie vor „Star Wutz“, aber auch „Frittenstein“ und „Nix Dolles“ ist vielen Radiohörern von damals noch im Ohr. Sogar meine Olympiade-1980-Parodie „Als die Griechen laufen lernten“ wurde kürzlich geordert.

Ein großer Erfolg in der damaligen Zeit waren auch meine „Destillierten Klassiker“, resp. die „Filmklassiker“, die der leider schon viel zu früh verstorbene Hermann Lause in wahnsinnigem Tempo nacherzählte, und die ich mit dem passenden Zitaten und Geräuschen versah. Für alle, die sich daran erinnern oder noch einmal erinnern möchten, liste ich hier einmal alle Werke der Weltliteratur resp. der Filmgeschichte auf, die es in prägnanter Kurzform von 3 – 4 Minuten gibt.

DESTILLIERTE KLASSIKER (erzählt von Hermann Lause)

1. „Aida“ (Verdi)

2. „Annie get your Gun“ (Berlin)

3. „Barbier von Sevilla“ (Rossini)

4. „Ben Hur“ (Wallace)

5. „Bettelstudent“ (Millöcker)

6. „Carmen“ (Bizet)

7. „Casablanca“ (Curtiz)

8. „Der dritte Mann“ (Greene)

9. „Don Carlos“ (Schiller)

10.„Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ (Stevenson)

11.„Dracula“ (Stoker)

12.„Drei Musketiere“

13.„Faust“ (Goethe)

14.„Freischütz“ (Weber)

15.„Gespenster“ (Ibsen)

16.„Glöckner von Notre Dame“ (Hugo)

17.„Götterdämmerung“ (Wagner)

18. „Götz von Berlichingen“ (Goethe)

19.„Graf von Monte Christo“ (Dumas)

20.„Hamlet“ (Shakespeare)

21.„In 80 Tagen um die Welt“ (Verne)

22.„Ivanhoe“ (Scott)

23. „Kabale und Liebe“ (Schiller)

24.„Kameliendame“ (Dumas)

25.„Land des Lächelns“ (Lehar)

26.„Letzte Mohikaner“ (Cooper)

27.„Lulu“ (Wedekind)

28.„Lustige Witwe“ (Lehar)

29. „Macbeth“ (Shakespeare)

30.„Madame Butterfly“ (Puccini)

31. „Moby Dick  (Melville)

32.„My Fair Lady“ (Loewe)

33.„Nathan, der Weise“ (Lessing)

34.„Ödipus“ (Sophokles)

35.„Odyssee“ (Homer)

36.„Onkel Toms Hütte“ (Beecher-Stowe)

37.„Othello“ (Shakespeare)

38.„Quo Vadis“ (Sienkiewicz)

39.„Räuber“ (Schiller)

40.„Rheingold“ (Wagner)

41.„Richard III.“ (Shakespeare)

42.„Robin Hood“ (sagenhaft)

43.„Robinson Crusoe“ (Defoe)

44.„Romeo und Julia“ (Shakespeare)

45.„Schimmelreiter“ (Storm)

46.„Siegfried“ (Wagner)

47.„Vom Winde verweht“ (Mitchell)

48.„Walküre“ (Wagner)

49.„Werther’s Leiden“ (Goethe)

50.„Wilhelm Tell“ (Schiller)

51.„Woyzeck“ (Büchner)

52.„Zar und Zimmermann“ (Lortzing)

53.„Zauberflöte“ (Mozart)

54.„Zerbrochene Krug“ (Kleist)

FILMKLASSIKER

1. …. denn sie wissen nicht, was sie tun

2. … und immer lockt das Weib

3. 2001 – Odyssee im Weltraum

4. Alexis Sorbas

5. Außer Atem

6. Basic Instinct

7. Bonnie & Clyde

8. Broadway-Melodie 1936

9. Casablanca

10.Citizen Kane

11.Das Gasthaus an der Themse

12.Das Phantom der Oper

13.Das Schweigen

14.Der Blob

15.Der weiße Hai

16.Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

17.Die Glorreichen Sieben

18.Die Katze auf dem heißen Blechdach

19.Die Spur des Falken

20.Die Vögel

21.Django

22.Dr. Jekyll & Mr. Hyde

23.Dr. Shiwago

24.Dritte Mann

25.Easy Rider

26.Ein Amerikaner in Paris

27.Eine alte Dame verschwindet

28.Forrest Gump

29.Frankenstein

30.Frühstück bei Tiffany

31.James Bond jagt Dr. No

32.Kampf der Welten

33.La Dolce Vita

34.La Habanera

35.Love Story

36.Meuterei auf der Bounty

37.Psycho

38.Ringo

39.Rio Bravo

40.Rocky

41.Schießen Sie auf den Pianisten

42.Sissi

43.Star Wars

44.Tarzan, der Affenmensch

45.Verdammt in alle Ewigkeit

46.Vom Winde verweht

47.Wie angelt man sich einen Millionär

48.Winnetou & Old Shatterhand im Tal der Toten

49.Wir Wunderkinder

50.Zwölf Uhr mittags

Wer den einen oder anderen „Klassiker“ gerne noch mal hören möchte (oder vielleicht alle?), der sollte mir eine Mail schreiben unter uwe-nielsen@web.de

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Ring frei – nach Wagner! Radio-Parodie von Uwe Nielsen

19. Mai 2013 · 1.323 Kommentare

Das Wagner-Jahr schreitet fort und förter, und ich will auch dabei sein! Immerhin habe ich schon vor geraumer Zeit meine eigene „Ring“-Fassung produziert: „Ring frei – nach Wagner!“ Diesen zeitlosen Vierteiler kann ich auf CDs gebrannt jederzeit versenden – gegen eine kleine Gebühr, versteht sich.

Ring frei – nach Wagner! (1981) (4 Teile Wagner-Parodie mit 8 neuen Musiken von Uli Harmssen – Mit: Dora Degen, Evelyn Hamann, Angelika Milster, Marie-Agnes Reintgen, Gert Haucke, Hans Kemner, Thomas Kylau, Otto Mächtlinger, Lutz Schmidt, Carlo von Tiedemann , jeder Teil ca. 30’)

Und auch noch in meinem Archiv: „Bye, bye, Bayreuth“ aus dem Jahr 1976 (!) – eine Klmaotte, die auch vage mit Wagner zu tun, mit dem Tannhäuser seinen drei Töchtern, die er immer wieder rhein ruft usw.

Bye, bye, Bayreuth (1976) (Wagner-Parodie mit : Hans Kemner, Sabine Postl, Manfred Böll, Lutz Schmidt, Wilfried Grimpe, Herbert Leonhardt, Christian Günther, Herbert Steinmetz, Anne Rottenberger, Christina Brandt, Evelyn Hamann, Theo Staats

(Länge: 26’30“)

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Werkverzeichnis

22. Dezember 2012 · 6 Kommentare

Weil immer wieder Anfragen kommen, die sich auf meine früheren Hörspiele beziehen, habe ich ein „Werkverzeichnis“ erstellt – es ist nicht ganz vollständig, aber man kann daraus ersehen, welche Hörfunkproduktionen ich digital gespeichert habe und an Interessenten weitergeben kann. Bei Interesse sendet mir bitte eine Mail – ich antworte bestimmt, wenn auch manchmal bit geringer Verzögerung. Also hier ist es:

WERKVERZEICHNIS UWE NIELSEN FUNKPRODUKTIONEN

Balduin Giesshübl & die Folgen

Am 30. Mai ist der Weltuntergang (I) – 1974

Andreas, der Älpler (HR-Produktion, verschollen) – 1974

Der Yeti vom Jungfernjoch (1974)

Mit: Hans Kemner, Christina Amun, Horst Breiter, Lutz Schmidt, Theo Staats, Isabell Weicken, Rolf Kadgin, Karl-Heinz Taus, Manfred Böll, Traute Höss

Aber, aber, Araber! (1975)

(aus der Zeit der ersten Ölkrise – 4 Folgen – zusammen 24’30“)

Mit: Hans Kemner, Christina Amun, Horst Breiter, Lutz Schmidt, Isabell Weicken, Rolf Kadgin, Karl-Heinz Taus, Dieter Jorschik, Anne Rottenberger, Theo Staats

Hexenwahn in Bad Zwischenahn (1975)

(zum Thema „Exorzist“ – 26’30“)

Mit: Hans Kemner, Ilona Schütze, Hans Kahlert, Christina Brandt, Gerhard Lippert, Hermann Faltis, Wolfgang Schenck, Thomas Kylau, Lutz Kraft, Ingolf Wachler, Horst Breiter, Theo Staats, Dieter Jorschick

Kara-Tee aus Kochinchina (Prod.: 2.-3.3.1976) (aus der ersten Kung-Fu-Welle – Länge: 26’30“)

Mit: Hans Kemner, Ilona Schütze, Wilfried Grimpe, Herbert Steinmetz, Christian Günther, Horst Breiter, Lutz Schmidt, Hermann Faltis, Heinrich Kunst, Theo Staats, Arthur Cardell, Christian Koch, Anne Rottenberger

Bye, bye, Bayreuth (1976)

(Wagner-Parodie mit : Hans Kemner, Sabine Postl, Manfred Böll, Lutz Schmidt, Wilfried Grimpe, Herbert Leonhardt, Christian Günther, Herbert Steinmetz, Anne Rottenberger, Christina Brandt, Evelyn Hamann, Theo Staats

(Länge: 26’30“)

Das Geheimnis der Goldenen Nadel (1976) (Thema: Akupunktur – Länge: 23’)

Mit: Hans Kemner, Ilona Schütze, Horst Breiter, Christian Günther, Wilfried Grimpe, Manfred Böll, Traute Höss, Herbert Leonhardt, Lutz Schmidt, Anne Rottenberger

Freischütz oder Sozialismus (1976) („Freischütz“-Parodie mit u.a. Sabine Postel – 34’)

Mit: Hans Kemner, Sabine Postl, Christian Günther, Isabella von Weltzien, Bernd Wiegmann, Theo Staats, Frieder Lichtenecker, Wilfried Grimpe, Thomas Kylau, Erhard Pauer, Karl-Heinz Tauss, Horst Breiter, Herbert Leonhardt, Wolfgang Nitsch, Brigitte Roth, Theo Staats

Al Cohol – die Geißel Gottes (1977) (Krimi u.a. mit Columbo und Marlon Brandy – Mit: Lutz Schmidt, Isabella von Weltzien, Christina Brandt, Wilfried Grimpe, Thomas Kylau, Karl-Heinz Taus, Evelyn Hamann, Manfred Böll, Claus Boysen, Manfred Günther, Christian Günther, Ernst Dietz, Theo Staats– 27’00“)

Das Dytsche Michelin (30.-31.3.1977)

Mit: Hans Kemner, Isabella von Weltzien, Christian Günther, Manfred Günther, Thomas Kylau, Evelyn Hamann, Erhard Pauer, Karl-Heinz Taus, Wilfried Grimpe, Lutz Schmidt, Horst Mehring, Jürg Löw, Maria Pichler

Es ist viel zu heiß (23.-27.9.1977)

Mit: Hans Kemner, Marion Marlon, Lutz Schmidt, Thomas Kylau, Hermann Faltis, Horst Breiter, Erhard Pauer, Marie-Agnes Reintgen, Manfred Günther, Gerhild Didusch, Karl-Heinz Taus

Saubermann – der Gusseiserne (WDR 1978) („Superman“-Parodie mit Roswitha Benda, Evelyn Hamann, Ulla Hinrichs, Brigitte Schacht, Manfred Böll, Wilfried Grimpe, Christian Günther, Gert Haucke, Hans Kemner, Thomas Kylau, Lutz Schmidt, Karl-Heinz Taus – Länge: 24’)

Im Reich des Bundesgartenzwergs (23.-24.-4.1979)

Mit: Hans Kemner, Brigitte Schacht, Wilfried Grimpe, Manfred Böll, Klaus Steiger, Erhard Pauer, Lutz Schmidt, Heidi Berndt, Evelyn Hamann, Roswitha Benda, Thomas Kylau, Christian Günther

Disco-Fieber im Hackethal (2.-3.1.1979)

(König Lear – Amanda Lear u.v.a. tauchen in der Disco-Welle auf, mit: Herbert Steinmetz, Evelyn Hamann, Wilfried Grimpe, Manfred Böll, Erhard Pauer, Manfred Günther, Lutz Schmidt, Marina Wandruszka, Hans Kahlert, Christian Günther, Rudolf Kowalski, Thomas Kylau – Länge: 40’)

Rosinen im Kopf (verschollen – vielleicht im WDR-Archiv zu finden?)

Das Porto Westfalico (RB 1979 – 4 Teile mit Evelyn Hamann, Isabella von Weltzien, Claus Boysen, Wilfried Grimpe, Christian Günther, Manfred Günther, Hans Kemner, Rudolf Kowalski, Thomas Kylau, Hans-Jürgen Ott, Erhard Pauer, Lutz Schmidt, Bernd Wiegmann à ca. 20 – 30’)

Grün ist die Heidi (RB 1979)

Star Wutz (1979) (auf dem „Science-Fiction-Film-Festival“ in Triest ausgezeichnet! – als 12-Teiler abgemischt – Mit Christian Günther, Hans Kemner, Erhard Pauer, Lutz Schmidt, Marion Marlon, Thomas Kylau, Herbert Steinmetz, Gert Haucke, Karl-Heinz Taus, Marie-Agnes Reintgen, Wolfgang Schenck ( Gesamtlänge: 38’45“)

Hee, du da – inne Bermuda! (1979) (2. „Superman“-Parodie mit u.a. – Mit: Evelyn Hamann, Marie-Agnes Reintgen, Balduin Baas, Mattias Gnädinger, Christian Günther, Hans Kahlert, Hans Kemner, Thomas Kylau, Herbert Leonhardt, Christian May, Erhard Pauer – 29’)

Am 30. Mai (Remake) (1982)

Frittenstein  – 1982 („Frankenstein“-Parodie Mit: Christian Günther, Thomas Kylau, Ernst-Theo Richter, Hans-Jürgen Ott, Wilfried Grimpe, Lutz Schmidt, Thomas Kylau, Anne Rottenberger, Hermann Lause, Angelika Milster, Marie-Agnes Reintgen, – Länge: 35’)

Nix Dolles („Dallas“ in Ostfriesland – mit Diether Krebs als „J.R.“ und Anja Kruse – Länge: 30’)

Der Jedi & sein Mädi 1984 (Star Wars III & Karneval – mit Carlo von Tiedemann, Hermann Lause, Evelyn Hamann, Siegfried Kernen u.a. – 25’30“)

Als die Griechen laufen lernten – 1984

Der Jever-Clan (aus WSU) („Denver“ in Ostfriesland – mit Henning Venske – Länge: 23’20“)

Meine Carmen – und Herren! (1984)

Ring frei – nach Wagner! 1981 (4 Teile Wagner-Parodie mit 8 neuen Musiken von Uli Harmssen – Mit: Dora Degen, Evelyn Hamann, Angelika Milster, Marie-Agnes Reintgen, Gert Haucke, Hans Kemner, Thomas Kylau, Otto Mächtlinger, Lutz Schmidt, Carlo von Tiedemann , jeder Teil ca. 30’)

Die Alternativlinks (4-Teiler)

Achtung – fertig – Seemannslos! („Nordsee-Operette“ mit Henning Venske, Gottfried Böttger u.a. – 55’)

Der öde Pöks & sein Komplex

Intimes vom Limes (4-Teiler) 1983

Mit: Angelika Milster, Marie-Agnes Reintgen, Claus Boysen, Hermann Faltis, Wilfried Grimpe, Thomas Kylau, Hermann Lause, Ernst Theo Richter, Henning Venske

Sketch-Serien-Sendungen:

„Das Grüne Blättchen mit Herz“

(1980 – 1983, nur Teile vorhanden)

(Länge: je ca. 15’)

„WIR SCHALTEN UM“

(1983 – 1987) (Länge: ca. 15’) –

anfangs in Hamburg produziert fast alle mit Hermann Lause, später in München mit Elisabeth Volkmann, Rainer Basedow, Kurt Weinzierl u.v.a.

darin „Serien“ wie:

„Traumschiff Enterpreis“

„Buddelbrook“

„Jever-Clan“

„James Bonn 007 Promille“

„Vorsicht! Bissige Hunnen!“

und „Reihen“ wie:

„Fidi Brause, Jever – Korrespondenten-Berichte aus Ostfriesland mit Hermann Lause

(Ich könnte das Material durchforsten, das zu Überholte rausschmeißen, und eine Art „Best of“ zusammenschneiden – in beliebiger Länge.

Destillierte Klassiker und Film-Klassiker

56 „Destillierte“ und 51 „Filmklassiker“ – alle mit Hermann Lause und Gerlach Fiedler – (Länge: ca. 3’)

SR-Produktion:

„Karies Ben Nemsi: In den Zahnlücken des Balkans“ mit u.a. Otto Grünmandl

(Gesamtlänge ca. 30’)

Bearbeitungen:

„Sigurd“ nach der Comic-Serie aus den 50ern (205 Folgen à 2 – 3 Minuten – mit Pierre Besson als „Sigurd“)

„Opfer der Liebe“ von Hedwig Courths-Mahler (64 Folgen)

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Meine Werke jetzt auch als Kindle bei Amazon !!!

7. September 2012 · Keine Kommentare

Wer mich und meine Werke auch mal in Buchstäbchen nachvollziehen will, sei hiermit informiert: es gibt Uwe Nielsen jetzt auch als KINDLE. Zwei e-books habe ich eingestellt:

„Einmal Transsylvanien – und zurück“ – ist die Prosafassung einer Radioserie, die in den späten 8oer / frühen 90ern in 13 Folgen beim SWR und WDR lief. Vielleicht erinnert sich noch jemand dran – als Teaser sind ein paar Kapitel auch hier als Blog zu finden. Komplett bei AMAZON!

„Das Rätsel von Mayerling – gelöst“ ist genau das, was es sagt: Was geschah wirklich in jener Nacht im Januar 1889, als Kronprinz Rudolf und Mary Wetsera zu Tode kamen. Ein Rätsel, das nur Sherlock Holmes lösen konnte. Warum aber behielt er die Lösung dieses Falles für sich? Ebenfalls bei AMAZON!

Weitere Werke werden folgen – demnächst die ganz frühen Abenteuer meines Raporters Balduin Gießhübl!

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Im Hawelka (zum Dritten)

16. März 2012 · Keine Kommentare

Es ist kurz vor zwei Uhr nachts. Ich sitze im Hawelka, in der Ecke auf dem Sofa neben der Klotür. Das Café ist faktisch leer. Hinter der Budl klappert die Chefin mit Kaffeetassen und leeren Gläsern. Der Ober Theo räumt gelassen und systematisch die verlassenen Tische ab und trägt das Leergut mit nicht mehr ganz so frischen Plattfußschritten zur abwaschenden Josefine Hawelka.

Die kleinen Lampen über den Zweiertischen knippst er aus, wenn der Tisch darunter leer ist. Es ist Abschiedsdämmerung im Hawelka.

Und plötzlich sitzt er neben mir auf dem Sofa. Den Kragen seines dunklen Wintermantels hat er hochgeschlagen, ein schiefes Lächeln gleitet drüber her. Woher ist er so schnell gekommen? Etwa aus der Toilette hinter mir, aus der es immer ein wenig heraus müffelt?

Er sitzt da und macht keine Anstalten etwas zu bestellen. Nun gut, wahrscheinlich würde er auch nichts mehr bekommen, denn die letzten Besucher hat Frau Hawelka schon mit den Worten „Sperrstund’, meine Herren!“ abgewiesen.

Sein Gesicht wirkt ein wenig aufgeschwemmt, seine Wangen leicht schwammig, eigentlich genau so, wie ich ihn in Erinnerung habe. Gealtert scheint er nicht, seit ich ihn zuletzt sah in strahlendem Schwarz-Weiß.

Er lächelt noch immer, zwinkert mir zu.

„Viel hat sich hier nicht geändert seit meiner Zeit – seinerzeit!“ sagt er und schaut in die Runde.

Was soll sich hier schon ändern – im Hawelka?! Auch weitere fünfzig Jahre später wird sich nichts verändert haben. Die abgewetzten Holzstühle halten sich noch krampfhaft auf ihren Beinen, die Marmortische verdauen die Bierlachen, die Bezüge der Plüschsofas – irgendwann erneuert – schauen auch schon wieder ganz schön alt aus – und nicht nur sie.

„Die Toiletten stinken auch immer noch – genau so wie damals!“ sagt er. „Sie stinken wie die Kanäle unter der Stadt. Nicht auszuhalten! Unzumutbar!“

Hat er sich nicht sogar geweigert, dort unten in den Kanälen zu drehen? Mussten sie nicht für ihn im Studio in London nachgebaut werden?

Er nickt. „Schauen Sie sich doch einfach mal um! Wirklich clean ist es hier doch nirgends!“

Mit spitzen Fingern dreht er meine verlassene Kaffeetasse auf dem Blechtablett.

„Ich würde hier nichts trinken!“

Neugierig wie ich bin frage ich: „Und damals? Haben Sie damals auch nichts getrunken?“

Er lächelt sein berühmtes überlegenes Lächeln.

„Wie war es damals wirklich, Mister … Lime?“

Sein Lächeln vertieft sich.

„Sie können einfach Harry zu mir sagen.“

Im Hintergrund zischt der letzte Dampf aus der Kaffeemaschine. Es klingt wie eine Lokomotive in den letzten Zügen vor der Remise. Er scheint es aber gar nicht zu hören. Er ist weit weg, lauscht in sich hinein und in die Vergangenheit. Da ähnelt er den Wienern sehr.

„Ich bin oft hier gesessen, genau so wie Sie jetzt, mein Freund. Aber ich habe immer nur aus meiner eigenen Flasche getrunken, meinen eigenen Whiskey. Und meine eigenen Zigaretten geraucht, natürlich!“

„Mit denen haben Sie natürlich auch gehandelt – wie mit dem verschnittenen Penicillin?!“

Ein bisschen frech, meine Frage, aber er zuckt nur die Achseln.

„Haben Sie das etwa geglaubt – das mit dem bösen Penicillin? Pah – das war doch nur eine wilde Idee von diesen beiden verrückten Briten. Green und Reed, sie wollten eine heiße Story, nicht die Wahrheit!“

Ungläubig schaue ich ihn an.

„Damals konnten Sie mit Schnaps und Zigaretten so viel Geld verdienen wie heute mit Koks und Heroin! Doch nicht mit Medikamenten!“

Er schaut sich um und deutet zu der schmalen Tür mit den geätzten Scheiben neben unserem Tisch, hinter der sich die Besenkammer des Lokals verbirgt. Früher soll sie einmal zu den Separées geführt haben, als das Lokal 1918 als „Chatham“-Bar eröffnet wurde. Das ist lange her.

„Da drin hatte ich damals mein Lager – das für die Innere Stadt. Die großen Posten lagerten natürlich im russischen Sektor. Mit den Russen kam ich sehr gut aus – wir hatten ein Abkommen. Sie taten mir nichts, dafür bekamen sie echten amerikanischen Whiskey. Oder – sagen wir mal: das, was sie dafür hielten!“

Er lachte tonlos.

Langsam rückten die Schatten im Café Hawelka näher an uns heran. Die meisten der kleinen Lampen waren jetzt gelöscht. Auch draußen auf der Dorotheergasse ist es mittlerweile ziemlich finster.

Er scheint meine Gedanken zu erraten.

„So dunkel war es damals in der ganzen Stadt! Man hatte es leicht sich zu verstecken. Dazu musste man nicht in die stinkenden Kanäle hinunter!“

Er beugt sich zu mir herüber.

„Hier bin ich mit den russischen Offizieren gesessen. Die kamen gerne her, wenn ich da war. Natürlich nur die Wichtigen, die besseren Chargen. Und die,die für mich gearbeitet haben. Einer von ihnen hat immer Klavier gespielt.“

Auf meinen fragenden Blick deutet er in den dunklen Raum hinein.

„Da – dort drüben stand ein Piano. Es war immer verstimmt, aber Pjotr hat trotzdem darauf gespielt. Auch wenn der Chef es nicht hören konnte – so schräg klang es. Wir hatten eine kleine Absprache: wenn eine Zivilstreife herein kam, von der Militärpolizei oder vom Zoll, dann spielte Pjotr die Internationale – ziemlich falsch. Aber so falsch konnte sie gar nicht, dass die Russen sie nicht erkannt hätten. Alle sprangen auf, sangen mit, salutierten, tranken noch einen Schnaps auf Väterchen Stalin und warfen die Gläser hinter sich. In dem Durcheinander konnte ich dann leicht entkommen. Es war alles bestens organisiert!“

Gebannt lausche ich den Erzählungen aus einer Zeit, die ich selbst nicht erlebt habe – hier in Wien, im Hawelka.

Mein Gesprächspartner seufzt. „Aber irgendwann geht alles vorbei. Meine Landsleute haben lange gebraucht, aber dann haben die von der MP den Trick durchschaut. Sie sind zum Chef gegangen und haben gesagt, er soll das Klavierspielen unterbinden. Dem war das ganz recht. Der Russe spielte wirklich furchtbar falsch!“

Versonnen schaute er in die Runde. Viel war nicht mehr zu erkennen: die schmutzigen, sandfarbenen Säulen mit den dunklen hölzernen Kanten. Die weißen Technolumen-Leuchten an der Decke waren die einzigen Lampen, die noch etwas Licht spendeten. Irgendwie Endzeitstimmung.

„Es war ein hartes Business, aber kein wirklich schweres. Eigentlich eine schöne Zeit …!“

„Konkurrenz gab es nicht in Ihrem – Geschäft?“

„Doch natürlich, „nickt er, „anfangs waren wir eine Handvoll, die sich das Geschäft teilten. Griechen, Levantiner, Amerikaner – keine Juden. Die hatten noch Angst. Es wurden immer weniger – wie es so kommt im kapitalistischen System: die Großen fraßen die Kleinen. Zum Schluss waren wir nur noch zwei: der Grieche und ich!“

„Der Grieche?“ fragte ich neugierig.

„Da drüben hat er immer gesessen – mein Freund!“

Er grinste schief und deutete zu einem Tisch in der anderen Ecke des Raumes, den man jetzt nur noch erahnen konnte.

„Dort war sein Revier. Da hielt er Hof – immer eine schöne Frau an seiner Seite. Nicht jeden Tag dieselbe, aber immer eine Schönheit. Er erzählte wilde Geschichten: dass er das Casino von Monte Carlo sofort übernehmen könnte, wenn er nur wollte!“

Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht meines Gesprächspartners.

„Er hatte wirklich gute connections – aber zuletzt waren meine doch besser! Und eines Tages hat er es eingesehen und ist aus der Stadt verschwunden, der gute Ari! Von einem Tag auf den anderen war er weg!“

„Ari hieß er?“ frage ich nach.

„Ja. Sie kennen ihn bestimmt auch – er hat die Branche gewechselt – sehr erfolgreich – Aristoteles Onassis!“

„Der war hier – im Hawelka? Frage ich ungläubig und schaue genauer zu dem Tisch hinüber. Aber natürlich sitzt da heute Nacht niemand.

Als ich mich zurückdrehe, versperrt mir der Ober Theo mit seiner stämmigen Statur die Sicht. Er zuckt mir gespieltem Bedauern die breiten Schultern.

„Ich weiß eh, Theo: die Sperrstund’!“

„Naja,“ nuschelt der Kellner zurück.

„Mit wem reden’S denn da noch, Theo?“ schnarrt die etwas schrille Stimme der Frau Hawelka aus der kleinen Küche hinter der Schanktheke hervor.

„Es ist nur den Herr Nielsen, Frau Chefin!“ ruft Theo zurück.

„Was? Wirklich? Und ich hätt’ schwören können, ich hör’ da noch einen Dritten Mann!“

Doch die Bank neben mir ist längst wieder leer. Theo hilft mir in den Mantel.

„Nichts für ungut!“

Ich bedanke mich freundlich und gehe hinaus auf die Straße.

Irgendwo hören ich Schritte, die sich entfernen.

→ Keine KommentareTags: Einnerungen an das "Hawelka"

Einmal Transsylvanien und zurück – Fortsetzung: „Die Mumie“

4. Februar 2012 · 1 Kommentar

7. Kapitel: Kharis Ma – der Fluch der Mumie

Wenn man später Jonathan Harker nach seinen Erlebnissen in Transsylvanien befragte, erschien es ihm selbst kaum noch glaubhaft, wie viele verschiedene unheimliche Wesen er in dieser kurzen Zeit getroffen hatte, die allesamt nichts anderes im Schilde führten als seine Braut Bianca Torturata zu entführen.

Ihm selbst war im Einzelnen keineswegs klar, welche Faszination es war, die Bianca gerade auf Monster ausübte. Zwar waren ihre äußeren Vorzüge für jeden überaus deutlich zu erkennen: ihr dunkles wallendes Haar, ihre strahlenden lockenden Augen, ihr kirschförmiger feuchter Mund, ihr vorbildlich gebogener Nacken und ihre hohe prallen Brüste mussten jeden normalen Mann – und gewiss auch so manche Lesbierin – nicht ungerührt lassen, von den Linien ihrer Hüften ganz zu schweigen.

Jonathan konnte nicht sagen, welches Monster ihm selbst als das schrecklichste erschienen war – den übelsten Geruch verbreitete jedenfalls die uralte Mumie, die aus dem Sarkophag im Keller der Friedhofsgruft von Zborsk geklettert war, nachdem der treue Iwan die Plage der Zombies mit seinen Salzstangerln beseitigt hatte.

„Schon wieder so ein Ungeheuer!“ stöhnte der junge Harker, als die verwickelte Gestalt den mumifizierten Kopf drehte, und ihre tief in den Höhlen liegenden brennenden Augen Bianca Torturata fixierten.

„Ananka – meine Geliebte!“ dröhnte die Stimme der Mumie durch den unterirdischen Raum, so laut, dass sogar Iwan seine tote Geliebte Daliah aus den Armen sinken ließ.

„Das aber kein Zombie!“ bemerkte er und griff gar nicht erst nach dem Salzgebäck, das er zur Bekämpfung der Zombies benutzt hatte.

„Nein, Iwan!“ bestätigte der neben ihm stehende Professor van Helsing. „Das ist mit ziemlicher Sicherheit eine Mumie!“

„Ananka!“ wankte die vermummte Gestalt auf Bianca zu, die sich suchend umschaute.

„Meint er etwa mich?“ fragte sie voll Entsetzen.

„So erfüllt sich nach Jahrtauensenden unsere Liebe – Ananka – kumm’, kumm’ mit mir ….!“

Schon streckte er seine bandagierten Arme nach der schönen Braut Jonathans aus, da warf sich der betroffene Bräutigam ihm entgegen.

„Das kommt gar nicht in Frage! Ich werde – !“

Doch die Mumie unterbrach ihn mit einem furchtbaren Schlag, der Harker gegen die Wand der Gruft taumeln ließ.

„Du wirst schweigen!“

Das waren die letzten Worte, die Jonathan vernahm, bevor eine schwarze Ohnmacht ihn umfing.

Als er wieder zu sich kam, lag er auf dem Boden des unterirdischen Grabes, und Van Helsing und Iwan knieten neben ihm.

„Wo bin ich? – Und – wo ist Bianca?“ stammelte Jonathan und versuchte sich aufzurichten.

„Fort – leider!“ antwortete der Professor mit einem knappen bedauernden Schulterzucken.

„Sogar Iwan war machtlos gegen Mumie, junger Herr! Sehen selbst!“

Der treue Russe zeigte auf eine gewaltige Beule an der Seite seines Kopfes, die schon eine blaurote Färbung angenommen hatte.

„Iwan hat sich die Blessur zugezogen, als er versuchte, den alten Ägypter aufzuhalten!“ bestätigte Van Helsing.

„Und Bianca?“ fragte Jonathan aufgeregt. „Was ist mit ihr?“

„Mumie sie hat gepackt wie kleines Pinkel auf die Schulter und – dawai!“

Stöhnend sank der niedergeschlagene Jüngling zurück auf den Boden.

„Meine arme Bianca!“ seufzte er und schloss seine Augen. Dann riss er sie wieder auf. „Wie hat dieses Monster sie genannt?“

„Ananka!“ ließ sich Professor van Helsing vernehmen. „Sagt Ihnen dieser Name etwas, Jonathan?“

Der junge Mann schüttelte den schmerzenden Kopf.

„Ich habe ihn noch nie gehört!“

„Wie genau kennen Sie eigentlich die Vergangenheit Ihrer Braut?“

Wütend aufbrausend sprang der junge Harker auf seine Füße, die im selben Augenblick wieder unter ihm nachzugeben drohten. Wenn der starke Iwan ihn nicht unter den Achseln gestützt hätte, wäre er wieder auf den feuchten Boden der Gruft gestürzt.

„Was wollen Sie damit andeuten, Professor van Helsing?!“ herrschte er sein alten Freund und Mentor an.

„Nicht aufregen, Her Jonathan! Bitte nicht aufregen!“ versuchte Iwan ihn zu beruhigen. „Alles schon schlimm genug!“

Mit einem Mal schoss es dem jungen Harker durch den Kopf, dass Iwans Geliebte hier unten zu Tode gekommen war.

„Und Daliah?“ fragte er mit trockener Kehle.

„Wir haben sie beigesetzt – in dem Sarkophag der Mumie hat sie ihre ewige Ruhe gefunden!“

Jonathan hatte sich wieder ein wenig beruhigt und schaute zu dem altägyptisch bemalten Gegenstand hinüber, der nun die Leiche der schönen Daliah barg.

„Mein lieber Jonathan,“ versuchte es van Helsing noch einmal, „Sie haben mich, glaube ich, falsch verstanden. Ich meinte nur, ob es eventuell irgendeine Ihnen bekannte Verbindung Biancas nach Ägypten gibt.“

Jonathan dachte nach.

„Jetzt wo Sie es sagen … Ich glaube mich zu erinnern, dass Bianca einmal von einem Onkel gesprochen hat … Onkel Tonio. Er war früher einmal in Ägypten – vor einigen Jahrzehnten!“

Gespannt hörte van Helsing seinem jungen Gefährten zu.

„Wenn ich mich recht entsinne, gehörte er zu einer Expedition, die damals die Grabkammer der Pharaos Im-Po-Thep entdeckte …!“

Aufgeregt sog der Professor an seiner Pfeife und stieß gewaltige Qualmwolken aus.

„Sehr interessant! Das könnte natürlich einiges erklären!“

Bevor er zu einer seiner üblichen wortgewaltigen Erklärungen ansetzen konnte, drang eine unheimliche Stimme durch das unterirdische Gewölbe, von der keiner der Drei auf Anhieb sagen konnte, woher sie kam.

„Die Rache des Pharao wird schrecklich sein und fürchterlich, wenn sich das Schicksal derer erfüllt, die seine ewige Ruhe gestört haben, und die Ruhe seiner Getreuen, die mit ihm ruhten über die Jahrhunderte und Jahrtausende …!“

Die Rauchwolken aus der Pfeife van Helsings versiegten, während die Stimme weiter sprach.

„Und ich warne auch Euch! Denn die Rache des Pharao wird Euch erreichen bis ins dritte und vierte Glied!“

Aus dem Schatten in einer Ecke der Gruft löste sich eine unheimliche Gestalt und schritt mit ausgebreiteten Armen auf die Drei zu.

Unter der Kapuze dieses Wesens glühten in einem dunklen Gesicht ein Paar feurige Augen, während sein ganzer Körper mit Teppichen behangen erschien.

„Denn die Wege des Pharao und seiner Getreuen sind wundersam!“

Van Helsing hatte sich wieder gefasst.

„Soso – und diese Wege haben Sie hierher geführt, was? Na, los, erzählen Sie!“ setzte er hinzu, als die Gestalt nicht weiter sprach.

„Mein Mund soll versiegelt sein für die Ungläubigen!“ ließ sich der Neuankömmling vernehmen und schwieg dann wieder.

Doch damit war Iwan nicht einverstanden.

„Los, red, du Kameltreiber! Wie kommst du in Gruft?!“

Mit diesen Worten griff er nach dem Teppichverhangenen und schüttelte ihn kräftig, so dass es staubte.

„Hee, vorsichtig! Nicht so rau! Mehmet ist nur ganz gewöhnlicher Teppichhändler!“

Misstrauisch musterte Van Helsing diesen Mehmet, um den der Staub aus seinen Teppichen langsam zu Boden rieselte.

„Und was macht ein ganz gewöhnlicher Teppichhändler morgens um halb sechs in diesen Katakomben unter dem Friedhof von Zborsk?“

Der staubige Mehmet zuckte mit den Schultern. Es staubte noch ein bisschen mehr.

„Na – ich weiß eigentlich auch nicht …!“

„Hier findet er keine Kundschaft für Teppiche – soll ich vielleicht machen Zombie-Probe mit ihm?“

Iwan zückte eines seiner verbliebenen Salzstangerln, das Mehmet misstrauisch musterte.

„Wissen Sie – es ist so: normalerweise ich schlafe unter der Brücke, aber wenn es kalt wird oder regnet, gehe ich manchmal hierher ins Trockene …!“

„Eine Teppichhändler – schläft unter der Brücke – !“

Iwan gluckste wieder einmal leise vor Lachen.

Als wäre es sein Stichwort gewesen, zückte Mehmet einen kleinen Teppich, den er über dem linken Arm getragen hatte. „Sie brauchen vielleicht eine Brücke? Echte Perser-Brücke, sehr günstig – nur 5000 Lewonzen, transsilvanische!“

Iwan knurrte drohend und winkte dem Teppichhändler mit seinem dicken Zeigefinder.

„Schon gut, schon gut, keine Brücke!“

Nachdenklich schaute der Professor auf den seltsamen Vorderasiaten.

„Soso – und von Ihrer Brücke sind Sie hierher gekommen?“

Mehmet nickte beflissen.

„Merkwürdig – der Eingang in die Gruft liegt da hinten!“ Van Helsing deutete über seine Schulter. „Sie sind aber von dort gekommen!“ Jetzt wies sein Finger in die entgegensetzte Richtung, in einen finsteren Winkel des Gewölbes, den sie bisher noch nicht betreten hatten.

„Wollen Sie uns weismachen, dass es dort noch einen Ausgang gibt, der direkt zur Zborska führt?“

„Nichts weismachen, Herr! Ist wahr! Soll Mehmet die Herrschaften führen? Kostet nicht viel. Sehr günstig – nur 500 Lewonzen – oder für Sie: 300!“

Bevor Mehmet weiter haspeln konnte, hatte ihn Iwan an seinem Kragen gepackt, der aus einem kleinen ziemlich speckigen Tischläufer bestand.

„Vorwärts! Dawai! Du führst uns ohne Lewonzen!“

„Ohne Lewonzen?“ echote der Teppichhändler.

„Da!“

„Da–da-das hat man nun davon!“ stotterte Mehmet und jammerte weiter: „Was muss ich auch auswandern aus dem schönen warmen Ägypten ins nebelverhangene Transsylvanien?! Keine Pyramiden – keine Kamele – keine Lewonzen – ein Scheissleben!“

Von Iwan getrieben bewegte sich der betrübte Mehmet da hin, woher er gekommen war, und tatsächlich fand sich in der hintersten und finstersten Ecke der Gruft eine schmale Tür aus uralten Bohlen.

Sie stand halb offen, und vorsichtig stiegen die Verbündeten über eine hohe Schwelle hinaus in einen gemauerten Gang, der sich in einem weiten Bogen in die Dunkelheit zog.

Van Helsing schüttelte den Kopf und murmelte: „Immer wieder diese feuchten unterirdischen Gänge! Meinem Rheuma tut das überhaupt nicht gut!“

Trotzdem und ohne zu zögern übernahm der Professor die Führung des kleinen Trupps, der sich langsam durch den Tunnel voran bewegte. Manchmal hatten sie den Eindruck, als stiege der Boden unter ihren Füssen an, ein andermal schien es, als senke er sich wieder.

„Wenn du gelogen hast, du Hund …!“ knurrte Iwan drohend, doch Mehmet beeilte sich zu versichern, dass dies genau der Gang sei, durch den er gekommen war.

Nach einer guten halben Stunde wurde es vor ihnen heller, und der Teppichhändler drängte sich an Van Helsing vorbei.

„Sehen Sie – da vorne: Sonnenlicht! Wie Mehmet gesagt hat!“ Durch eine Gittertür, die sich mit einem schrillen Quietschen öffnete, traten sie hinaus ins Licht einer eben aufgehenden Sonne. Unter ihnen glitzerte die Zborska im frischen Morgenlicht, und direkt neben dem Ausgang erhob sich der gewaltige Bogen einer Brücke.

„Ist Brücke von Mehmet!“ wies der Teppichhändler, der sie geführt hatte hinauf. „Das macht, bitteschön – !“

„Macht gar nix!“ bellte Iwan. „Macht überhaupt nix!“

„Aber – die Führung – ?!“

„Nix! War keine Führung! Wir wollten sowieso hierher!“

Mit einem dröhnenden Lachen hieb der Russe auf Mehmets Schulter, so dass dieser in einer Staubwolke zu Boden ging.

„Was ist? Machst du Morgengebet?“

Van Helsing war unterdessen hinunter ans Ufer der Zborska getreten und blickte hinaus auf den Strom, der ziemlich viel Wasser führte. Die ersten Schiffe hatten bereits losgemacht und suchten ihren Weg in der Fahrrinne des Flusses: hauptsächlich Schuten und Lastkähne, die mit allen möglichen Gütern beladen der Donau und ihren Handelsplätzen zustrebten.

„Ein reger Schiffsverkehr – zu dieser frühen Stunde, was?“ wandte sich der Professor an Jonathan, der mit geröteten Backen zu ihm gekommen war und mit der Hand die Augen gegen die noch sehr tief stehende Sonne beschattete.

Plötzlich zuckte er zusammen.

„Sehen Sie doch nur, Professor! Dort auf dem Kahn!“

Ein merkwürdig aussehendes Schiff, das ungewöhnlich tief im Wasser lag, steuerte eben quer zum Strom an ihnen vorbei. Auf dem Deck, das von einem Sonnendach beschattet war, lag eine weibliche Gestalt auf einem Art Lotterbett hingestreckt. Neben ihr ragte eine hohe Gestalt auf, die ihr anscheinend mit einem langen Palmwedel Kühlung zufächerte.

Nur wenn man ganz genau hinsah, konnte man erkennen, dass die Frau sich nicht etwa freiwillig dort an Bord räkelte, sondern gefesselt war.

Und eben vernahmen die Männer am Ufer ihre Stimme.

„Jonathan!“ rief sie. „Rette mich!“

Es war wirklich die schöne Bianca Torturata, die dort abtransportiert wurde, und die hohe Gestalt neben ihr war niemand anders als die Mumie Kharis Ma.

„Bianca!“ schrie Jonathan. “Warte! Ich komme!”

Mit diesen Worte stürzte sich Biancas Bräutigam, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, in die bräunlichen Fluten der Zborska, nur um augenblicklich unterzugehen.

(Aus dem Tagebuch der Bianca Torturata)

Wenn der Volksmund sagt, dass jemand aus dem Regen in die Traufe kommt, so kann ich von mir behaupten, dass ich diesmal aus der Traufe in einen leichten Sommerregen gekommen bin. Wirklich, im Vergleich zu den übelriechenden Zombies ist dieser Kharis Ma beinahe ein Lord! Wie er das macht unter den Mullbinden, in die er von Kopf bis Fuß gewickelt ist, weiß ich nicht, aber er müffelt kein bisschen! Das hätte ich bestimmt gerochen, denn er hat mich lange genug durch die Gegend geschleppt!

Dabei hat mir immer wieder versichert, wie sehr er mich seit Tausenden von Jahren liebt! Ich kann ihm einfach nicht beibringen, dass ich überhaupt noch nicht so alt bin. Er rollt dann nur mit seinen dunklen Augen, die aus den Schlitzen seiner Bandagen glühen, und ich weiß gar nicht, was das bedeuten soll.

Aus diesem unterirdischen Friedhofsgewölbe waren wir jedenfalls ganz schnell heraus – er kannte da irgendeinen Geheimgang, der fast genau so alt war wie die Mumie!

Dieser Gang endete in einem ganz gemütlichen Bootshaus direkt am Fluss, in das er mich einsperrte und verschwand. Es war viel hübscher als in dieser Friedhofsgruft. Draußen schien die Sonne, und ein paar Strahlen fielen durch die Ritzen sogar zu mir herein, als ich mich auf die Bretter legte und ziemlich schnell einschlief.

Ich wachte wieder auf, als von draußen eigenartige Geräusche zu mir herein drangen. Ich presste mein Auge gegen eine der Ritzen und sah, wie Kharis Ma – jetzt in eine Art Militärmantel gehüllt, der ihm gar nicht schlecht stand – dabei war, ein Segelschiff an dem Steg neben dem Bootshaus zu vertäuen.

Kurz darauf kam er zu mir herein. Und er hatte nicht nur an einen Mantel für sich selbst gedacht, sondern auch an frische Garderobe für mich. Ich musste ihn allerdings nachdrücklich auffordern hinaus zu gehen, damit ich mich umziehen konnte. Und ich glaube, ich habe dann doch eines seiner schwarzen Augen durch eine der Ritzen glühen sehen!

Aber sonst ist Kharis Ma ein echter Sir – wie er mich dann auf das Schiff geleitete!

Trotzdem will ich nicht mit dieser Mumie irgendwohin segeln! Ich weiß ich auch nicht, wie ich das Schiff verlassen kann, aber vielleicht kann ich ja jemanden am Ufer auf mich aufmerksam machen!

– – –

Van Helsing schüttelte den Kopf.

„Aber Jonathan! Was soll denn das?“

Der junge Harker hatte sich bei seinem Absprung mit dem Fuß in einem herumliegenden Tauende verfangen und sein Kopf war dabei gegen einen Brückenpfeiler geprallt.

„Der Junge geht ja unter!“

Und so lag es wieder einmal an dem treuen Iwan, als Retter in der Not aufzutreten. Mit einem gewandten Kopfsprung setzte der Russe seinem jungen Gefährten nach.

„Na, hoffentlich kann der jetzt schwimmen!“ unkte der Teppichhändler, doch van Helsing konnte ihn beruhigen.

„Keine Sorge – er kann! – Und du könntest mir – während Iwan unseren junge Kameraden rettet – vielleicht sagen, wohin dieses Schiff da draußen unterwegs ist, wenn es denn nicht auf dem Grunde der Zborska landet!“

Mehmet zuckte die Achseln.

„Keine Ahnung!“

Mit drohender Stimme bemerkte der Professor: „Denk daran, Mehmet: Iwan ist gleich wieder da!“

Tatsächlich hatte der treue Adlatus Van Helsings den Jüngling, der ziemlich bleich aussah, ans Ufer gezogen, während sich das Schiff mit Bianca an Bord immer weiter entfernte.

Ihre Hilfeschreie verhallten in der Ferne.

Mehmet erinnerte sich nun doch, dass die Route des Schiffes es ziemlich zwangsläufig in die transsylvanische Hauptstadt führen musste: „Nach Kronstadt, wann ich mir das recht überleg’, muss es fahren, das Schiff! Ja – nach Kronstadt!“

Jonathan hatte im Näherkommen die Worte Mehmets gehört, und trotz seines angeschlagenen Zustands und den gut drei Litern Zborskawasser in seinem Magen, stieß er entschlossen hervor: „Nach Kronstadt … wir müssen nach Kronstadt!“

Schon wollte er den Fluss entlang durch die Auenlandschaft nach Süden stapfen, doch van Helsing hielt den Jüngling zurück.

„Gewiss, Jonathan – nach Kronstadt soll es gehen – aber wir nehmen den Dampfer!“

Iwan stieß den Teppichhändler in die Seite.

„Außer vielleicht Mehmet hier hat fliegenden Teppich für uns?!“

In Iwans dröhnendes Lachen hinein sagte der Teppichhändler: „Aber natürlich ich habe …! Wenn Sie möchten einen Augenblick warten …Ich bin gleich zurück!“

Mit diesen Worten verschwand Mehmet unter dem Bogen der Zborska-Brücke, während Professor van Helsing seine beiden Gefährten zur Eile antrieb.

Und so hörten und sahen sie nicht, wie Mehmet unter dem Brückenbogen seine sehnige Hand zu einer Kralle bog und mit böse blitzenden Augen dem Trio nachknurrte: „Ihr nur lachen! Ihr schon sehen …! Ihr schon sehen!!!“

„Kommt – es ist eine halbe Stunde bis zum Schiffsanleger! Wenn wir das Linienschiff nach Kronstadt noch erreichen wollen, müssen wir uns sputen!“

Tatsächlich waren die Drei die Letzten, die eben noch über die Gangway an Bord rannten, bevor sie von zwei Gestalten, die eher Piraten als Matrosen glichen, eingezogen wurde.

Auf dem Oberdeck des Dampfers hatte sich ein bunter Querschnitt der transsylvanischen Bevölkerung versammelt: Viehhändler, die trotz der zu erwartenden Hitze des Tages in dicken Fellmänteln zwischen ihren Ziegen lagerten, schwarz gekleidete Popen mit fettigen Haaren, die mit leisem Klicken ihre Rosenkränze durch die Finger gleiten ließen, glutäugige Zigeuner, die dicke, schwarze und stinkende Zigarren rauchten, während ihre Töchter in weiten bunten Röcken zum Klange von Tamburinen und Kastagnetten in einem Kreise begeistert klatschender Balkanesen die Tarantella tanzten.

In einer Ecke hatte sich eine ungarische Großfamilie mitsamt einer mittleren Gänseherde niedergelassen, ihnen gegenüber breiteten zwei gläubige Muselmanen eben ihre Gebetsteppiche aus.

Seufzend beobachtete Jonathan Harker das bunte Geschehen – er konnte keine Freude daran finden, dachte er doch an nichts anderes als an seine Bianca Torturata.

„Kommen Sie mit, junger Herr!“ schob Iwan ihn wenig später in Richtung auf einen Niedergang, der ins Innere des Schiffes führte. „Habe ich Kabine requiriert!“

Wie es dem treuen Russen gelungen war, den Kapitän des Dampfers aus seiner Kajüte zu vertreiben, erfuhren van Helsing und sein junger Freund nie, doch das verbissene Gesicht und die wütenden Blicke des Schnurrbärtigen ließen nichts Gutes vermuten!

– – –

(Aus dem Tagebuch der Bianca Torturata)

Eine Schiffsfahrt ist eigentlich etwas Schönes. Ich habe bisher noch nicht oft Gelegenheit dazu gehabt, und diese Fahrt von Zborsk nach Kronstadt war ein wenig getrübt durch die Anwesenheit meines glutäugigen Reisebegleiters.

Kharis Ma, die Mumie in ihren weißen Bandagen, war nicht unhöflich zu mir, versuchte auch nicht, sich mir unsittlich zu nähern – das wäre auch schon wegen seines eingewickelten Körpers schwierig gewesen – er saß vielmehr ziemlich unbeweglich am Steuerruder des Segelschiffs, auf dem wir die Zborska hinab fuhren, und starrte mich unverwandt an.

Beim Einschlafen sah ich seine glühenden Augen, und beim Aufwachen war er immer noch da und beobachtete mich. Als ich ihn fragte, warum er mich denn immer so anstarre, antwortete er mit seiner hohlen Stimme: „Weil ich dich nie mehr verlieren will, Ananka! In tausend Jahren nicht mehr!“

Das war schon ein bisschen gruselig, denn wer kann sich schon vorstellen, tausend Jahre alt zu werden. Wahrscheinlich müsste ich dann genau so eingewickelt herumlaufen wie Kharis Ma!

Trotzdem nahm unsere Reise irgendwann ein Ende. Am Horizont tauchten die Türme einer Stadt auf, und Kharis Ma wurde unruhig. Wir näherten uns Kronstadt, wie er mir mit dramatischem Timbre in der Stimme mitteilte. Ich wusste nicht, was das jetzt zu bedeuten hatte. Eigentlich stammte die Mumie doch aus Ägypten!

Vorsichtig fragte ich, was wir denn in Kronstadt wollten.

„Dort befindet sich das Pergament, das auch Dir ewiges Leben schenken wird – an meiner Seite!“ verkündete er mit einem merkwürdigen Pathos, so merkwürdig, dass es mir ein wenig kalt den Rücken herunter lief – obwohl an diesem Nachmittag die Sonne noch hoch am Himmel stand.

– – –

(Aus dem Tagebuch Jonathan Harkers)

„Kronstadt! Kronstadt! Alles aussteigen! Der Dampfer endet hier!“

Lautes Pochen erschütterte die Kabinentür, ich schoss aus tiefem Schlaf auf und schlug sich meinen Kopf an dem Etagenbett heftig an. Als ich wieder sehen konnte, baumelten vor meinen Augen die dünnen, behaarten Beine Professor Van Helsings, der in dem Bett über mir geschlafen hatte.

Iwan riss die Tür auf und streckte den Steward, der geklopft hatte, mit einer Faustwatsche zu Boden.

„So laut, diese Transsylvanier!“ knurrte er, während er sich unser Gepäck auf seine breiten, kräftigen Schultern lud.

Das Deck hatte sich schon fast völlig geleert, als wir nach oben kamen. Nur die ungarische Familie jagten noch zwei Gänse, die ihnen entkommen waren.

Der Dampfer hatte am Kai von Kronstadt festgemacht, einer mächtigen Anlage, die jetzt eher verwaist da lag. Einige halb verfallenen Schuppen grüßten zu uns herüber, und auch die Fischhalle hatte wohl schon bessere Zeiten gesehen. An die Mole grenzte direkt ein rechteckiger Platz, der landeinwärts von einer Stadtmauer begrenzt wurde, hinter der man einige Kirchtürme und das Minarett einer Moschee entdecken konnte. Alle anderen Häuser waren anscheinend so niedrig, dass sie die Mauer nicht überragten.

Auf dem Platz selbst fand wohl normalerweise der Markt statt, denn einige Bauern hatten windschiefe Buden und Stände aufgebaut, um ihre landwirtschaftlichen Güter feilzubieten: Knoblauch und Zwiebeln, Kartoffeln und Hirse, ein paar magere Hühner und dunkel geräucherte Speckseiten.

Als wir den Markt überquerten, merkte ich, dass ich seit geraumer Zeit nichts mehr gegessen hatte. Die Marktfrauen drehten sich nach mir um – so laut knurrte mein Magen.

„Das ist also Kronstadt!“ sagte laut zu Van Helsing, um die Geräusche aus meinem Abdomen zu übertönen.

„Die Hauptstadt von Transsylvanien, ja!“ stimmt Professor van Helsing zu, der im Vorübergehen interessiert die Folklore der Metropole aufnahm.

„Und wie wollen wir vorgehen?“ fragte ich höflich, ohne meinen Hunger zu erwähnen.

„Nun, wir gehen erst einmal vor – über diesen Platz dort hinüber – und dann in die erste Gasse links!“

„Und was ist da?“

„Dort ist – die SPHINX!“

Verdutzt blieb ich stehen – direkt neben einem Markstand, an dem rote und grüne Pfefferoni in einer bunten Kette dekoriert waren. Auf einer flach gelegten alten Tür standen ein paar Krüge mit sauren Gurken, und daneben lagen fette Würste, die ich normalerweise nicht gegessen hätte. Jetzt erschienen sie mir überaus appetitlich.

Iwan ließ sein gutturales Lachen hören.

„Erste Straße links – da ist die Sphinx – das ist gut! Das ist gut!“

Anscheinend plagte auch ihn der Hunger, denn er griff sich eine der Würste und begann sie zu kauen. Das magere Marktweib protestierte lautstark und rief uns unverständliche Schimpfworte nach

„Die Sphinx – hier in Kronstadt?“

Ich war sicher, dass diese Figur im fernen Ägypten zu finden war.

„Ja,“ lachte van Helsing. „Die SPHINX – die einzige esoterische Buchhandlung von Kronstadt! Sie gehört einem alten Freund von mir: Mohammed Daraschekoh!“

Der Duft der Knoblauchwurst, an der Iwan kaute, zog eindringlich in meine Nase, während wir hinter dem Professor her trotteten.

Der Buchhändler, ein ewig langer und dünner Jude in einem schwarzen etwas abgetragenen, ehemals eleganten Kaftan, wirkte erstaunt, als er von einer Ausgabe der „Kabbala“ aufschaute und seinen ersten Kunden an diesem Morgen sah.

„Bitteschön, wenn Sie möchten näher treten – aber, wie ist es möglich?! Das ist doch – van Helsing ? Sie hier?“

„Ich bin es, Mohammed!“

Die beiden älteren Herren umarmten sich und bestätigten sich immer wieder, dass es doch kaum möglich sei, dass sie einander ausgerechnet hier und heute wiedersähen!“

„Wie lang haben wir uns nicht gesehen – zehn Jahre? Und wer sind die Herren in Deiner Begleitung?“

Van Helsing stellte Iwan als seinen treuen Diener vor („Wie ist es möglich? Du bist im DINER Club?“) und mich als jungen „Freund“ („Harker? Den Namen hab’ ich schon gehört! Kann sein von einem guten Kunden, einem gewissen Grafen Drakula!“). Dazu sagte ich nichts.

Dann führte Mohammed Daraschekoh uns in das kleine Hinterzimmer hinter seinem Laden, wo eine nicht minder kleine Kaffeemaschine schon vor sich hin blubberte.

„Kaffee mögt’s ihr doch bestimmt?! Und vielleicht einen kleinen Schnaps?“

„Wir haben noch nichts gegessen,“ warf ich ein, denn mein Magen meldete sich schon wieder recht geräuschvoll.

„No, hab’ ich noch ein paar Pofesen da, von gestern!“

Schnell breitete der Buchhändler das Gebäck auf einem antiken Tellerchen aus, wo es aber nur wenige Sekunden liegen blieb, dann hatte ich es mir einverleibt.

„Das ist sehr nett von dir, Mohammed, aber eigentlich habe ich vor allem eine Frage: was sagt dir der Name Ananka?“

„Na, was soll er mir sagen?! Hab’ ich doch gerade gelesen eine altägyptische Legende – !“

„Was für eine Legende?“ fragte ich aufgeregt mit vollem Mund.

„Eine altägyptische, wie ich schon sagte, junger Freund! Aus dem altägyptischen Totenbuch! Da gibt es nämlich eine Geschichte von der schönen altägyptischen Prinzessin Ananka und einem Hohepriester, einem gewissen Kharis Ma! Spielt alles am Hofe des Pharao Im-Po-Thep – du kennst ihn wahrscheinlich?“

„Erzähl, Mohammed,“ drängte Van Helsing, ohne auf die Frage des Buchhändlers einzugehen.

„Ja, also – was soll ich sagen: er hat sie geliebt, der Kharis Ma – jene schöne Ananka, aber: er hat sie nicht lieben dürfen! Wie es halt so war damals – bei den Hohenpriestern!“

„Moment,“ unterbrach ich die Erzählung Mohammeds, „der Pharao Im-Po-Thep, der hat doch vor über 4000 Jahren gelebt!“

„Na, warum soll das nicht möglich gewesen sein, dass er sie geliebt hat vor 4000 Jahren, der Hohepriester Kharis Ma die Prinzessin Ananka?! Obwohl der Pharao es hatte verboten, und als sie ihm drauf gekommen sind, die anderen Ägypter dem Kharis Ma, was glaubt ihr, was sie mit ihm gemacht haben?“

Gespannt lauschten wir der Erzählung des Buchhändlers, während Iwan heimlich die letzten Pofesen-Krümel vom Teller klaubte.

„Sie haben ihn lebendig begraben – in einem Sarkophag!“

„Die lebende Mumie!“

Der Professor konnte sich diesen Ausruf nicht verkneifen.

„Sie könnte man’s nennen! Er war jedenfalls noch lebendig, als sie ihn einbalsamiert haben! Und es heißt: im Sarkophag soll ein Stückel Papyrus liegen, ein ägyptischer Papyrus, und da drauf soll stehen eine gewisse geheime Formel – eine Formel …“

„Mit der man den Kharis Ma dereinst wieder zum Leben erwecken kann!“ platze Van Helsing mit der Pointe der Geschichte heraus.

Mohammed Daraschekoh sah ihn verblüfft an.

„Du kennst die Geschichte?“

„Nein,“ schüttelte der Professor den Kopf, „aber ich glaube, wir kennen Kharis Ma – die lebende Mumie!“

Als wäre es ein Stichwort gewesen, klirrte und krachte im selben Augenblick die Verbindungstür zu dem esoterischen Buchladen Mohammed Daraschekohs, und im Rahmen stand eine unheimliche, in Bandagen gewickelte Gestalt.

„Ich bin die alte Mumie, Mohammed Daraschekoh, und dich zu töten, kumm’ i eh!“

Der jüdische Freund Alexander van Helsings blieb wie erstarrt stehen, während die altägyptische Gruselgestalt mit staksenden Schritten auf uns zu torkelte.

Nur ein gewürgtes „Das ist doch nicht – möglich!“ entrang sich den Lippen des Buchhändlers, dann schlossen sich die klauenartigen uralten Hände um seinen Hals.

„Oh doch!“ hallte die hohle Stimme durch den Raum. „Und du wirst nun nie mehr altägyptische Legenden erzählen, Mohammed Daraschekoh!“

Mit einem letzten Röcheln brach Daraschekoh nieder, ohne dass einer von uns ihm hätte zu Hilfe kommen können.

„Mein Gott!“ konnte ich nur stammeln. „Die Mumie – sie hat ihn ermordet!“

Mit eisiger Ruhe drehte sich die Gestalt zu mir um.

„So ist es – und so wird es jedem ergehen …!“

Endlich hatte sich Van Helsing gefasst und riss einen schweren Revolver aus der Tasche seines Havelocks.

„Verfluchte Mumie!“ knurrte der Professor und gab drei Schüsse auf das unheimlich Wesen ab.

Doch die Kugeln zeigten keine Wirkung, im Gegenteil: ein höhnisches Gelächter erklang aus dem zahnlosen Mund der bandagierten Gestalt.

„Hahaha – ich bin die alte Mumie … und gegen Kugeln bin immun i eh!“

Mit zwei schweren Schritten erreichte die Gestalt das Fenster, das in den Hinterhof hinausführte, und ohne anzuhalten, bretterte er mit voller Wucht durch Glasscheibe und Fensterkreuz.

Sekunden später war das uralte Wesen aus dem Nilland verschwunden.

„Weg ist Mumie!“ bemerkte Iwan vollkommen zurecht fügte hinzu: „Kugeln von Professor haben nichts genutzt!“

Nachdenklich betrachtete Van Helsing die Waffe in seiner Hand.

„Es sieht ganz so aus! Mit unseren neuzeitlichen Waffen ist dieses Wesen wohl nicht zu besiegen. Wie sagt doch die Legende? Wenn wir die Mumie unschädlich machen wollen, müssen wir den Papyrus vernichten, der sie – oder vielmehr ihn – ins Leben zurück geholt hat!“

Iwan kratzte sich am Kopf.

„Müssen nach Ägypten?“

„Wohl kaum!“ verneinte der Professor. „Wir müssen den Papyrus finden, aber ich vermute, dass der sich hier in Kronstadt befindet! Warum wäre die Mumie sonst auf seinem Schiff hierher gekommen – zusammen mit Ihrer Braut Bianca, Jonathan!“

Alexander van Helsing schob uns aus der esoterischen Buchhandlung hinaus, deren Besitzer jetzt tot im Hinterzimmer lag. Er hätte uns jetzt vielleicht Auskunft über ein Leben nach dem Tode geben können.

(Aus dem Tagebuch der Bianca Torturata)

Es gibt Dinge, über die habe ich noch nie nachgedacht – dazu gehört die Frage der Wiedergeburt. Kann es sein, dass wir – unsere Seele – nach dem Tode in einem anderen Körper wieder geboren wird?

Kharis Ma z.B, ist fest davon überzeugt. Nicht nur dass er davon überzeugt, dass er selbst 4000 Jahre alt ist, nein, er glaubt auch noch dass ich seine wiedergeborene Geliebte Ananka von damals bin! Immer wieder erzählt er mir von damals, als er mit ihr – mit mir – am Nil entlang schlenderte. Und davon, dass er damals schon beschlossen hatte, sich mit mir zusammen in einer von diesen Pyramiden einmauern zu lassen! So sollte unsere Liebe ewig dauern.

Eigentlich klingt das alles sehr romantisch, wenn ich ihm zuhöre – aber wenn ich dann wieder in sein Mullbinden-Gesicht schaue, vergeht mir die ganze Romantik wieder.

Aber wenn ich zwischendurch einschlafe – so spannend sind seine Geschichten nun auch wieder nicht – dann träume ich von Ägypten! Wirklich, mir kommt dann vor, als wandle ich unter den Palmen, von denen er mir erzählt. Merkwürdig – vielleicht ist ja doch etwas dran an seinen Geschichten von der Wiedergeburt.

Er hat jedenfalls beschlossen, mir das „ewige Leben“ zu schenken – damit wir dann immer beisammen sein können! Dafür braucht er bloß noch irgendein Papyrus mit einer geheimen Formel – und das soll es ausgerechnet hier in Kronstadt geben! Na, ich weiß nicht! Jedenfalls schleppt er mich von einem Versteck zum andern – bloß den Papyrus haben wir noch nicht gefunden! Bloß Staub und Spinnweben! Nicht für eine junge Frau in ihren besten Jahren – oder Jahrtausenden!

– – –

„Aber müssen wir nicht die Polizei verständigen?!“ zögerte der junge Harker, als sie aus der esoterischen Buchhandlung traten, und schaute sich auf der Straße nach einem Ordnungshüter um. Ein Polizist war nirgends zu sehne, aber Jonathan entdeckte in einem Torbogen auf der anderen Straßenseite eine bekannte Gestalt.

„Da drüben – das ist doch Mehmet!“

Der windige Teppichhändler verschwand schnell in einer dunklen Seitengasse, doch auch Van Helsing hatte ihn gesehen.

„Tatsächlich – Mehmet, der Teppichhändler, den wir in Zborsk zurückgelassen haben! Das ist aber ein eigenartiger Zufall – kommt, wir heften uns an seine Fersen!“

Schnell eilten die Drei über die wenig befahrene Straße und sahen gerade noch, wie Mehmet weiter hinter in der Seitengasse durch einen schmalen Durchgang schlüpfte.

Doch so leicht war es nicht, dem erfahrenen Vampirjäger Van Helsing zu entkommen, wenn er einmal Witterung aufgenommen hatte.

Zweimal meinte Jonathan schon, sie hätten die Spur Mehmets verloren, doch mit traumwandlerischer Sicherheit fand der Professor die Spur des Teppichhändlers jedes Mal wieder – bis sie die Verfolger zu einem Schuppen in einem düsteren Hinterhof führte, in dem Mehmet verschwand und nicht wieder zum Vorschein kam.

Eine gute Viertelstunde beobachteten die Drei das Gebäude, das beinahe schon baufällig wirkte. Nichts rührte sich. Niemand kam, niemand ging.

Plötzlich erklang ein entsetzlicher Schrei durch den Hof – er war aus dem Schuppen gekommen!

„Schnell! Kommt!“

Van Helsing hatte wieder seinen Revolver gezückt und eilte über den Hof auf die Schuppentür zu. Dann winkte er den treuen Iwan, der sich mit seinen mächtigen Schultern gegen das Tor warf.

Splitternd flogen die Türflügel zur Seite.

Vorsichtig traten die Gefährten ein.

„Mit scheint: ist nur Mehmets Teppichlager!“ flüsterte Iwan, und van Helsing gab ihm Recht.

„Es sieht ganz so aus! Von Mehmet selbst ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. Seltsam …!“

Links und rechts lagen in hohen Stapeln orientalische Teppiche, leicht angestaubt, aber mit durchaus edlen Mustern.

Anerkennend betrachtete Iwan die Auslegeware.

„Sind schöne Teppiche, Professor! Ich kennen ganz gut – hier: echte Afghanen … und da Perser …!“

Hinter den Stapeln standen auch einige Teppiche zusammengerollt an die Wand des Schuppens gelehnt.

Interessiert untersuchte Iwan die Rollen, als diese mit einem Mal zu wanken begannen. Wie in einem Dominospiel fielen sie langsam – eine nach der anderen – um.

„Vorsicht, Iwan!“ warnte Van Helsing und zog seinen treuen Diener zur Seite, dem eine der Teppichrollen fast auf die Füße gefallen wäre.

In diesem Fall rollte sie ein Stück weit auf und gab den Blick auf einen unerwarteten Inhalt frei.

„Das ist doch – Mehmet!“ rief Jonathan.

Van Helsing nickte.

„Die Rache des Pharao hat auch ihn erreicht!“

Der Teppichhändler offensichtlich tot – erwürgt von den uralten Krallen der Mumie Kharis Ma!

„Sie meinen: die Mumie hat auch Mehmet auf dem Gewissen?“ erkundigte sich der junge Harker, und wieder nickte der Professor.

„Ja. Ich glaube: er wusste zu viel – aber er wusste nicht alles!“

„Der Papyrus!?“

„So ist es! Kharis Ma ist wie wild dahinter her! Wir müssen ihn unbedingt vor ihm finden. Aber hier werden wir wohl vergeblich suchen!“

Van Helsing schaute sich um, doch er entdeckte nirgends einen Sarkophag zwischen den Bodenbelägen, die stapelweise herumlagen.

Nachdenklich ging der Professor zwischen den Teppichen umher, dann blieb er mit einem Mal vor einem kleinen aufgerollten Läufer stehen.

„Das ist ja sehr interessant,“ murmelte er. Jonathan war nicht klar, was van Helsings Aufmerksamkeit erregt hatte.

„Schauen Sie nur, diesen Anhänger! Der Teppich soll geliefert werden an die „Ägyptische Sammlung“ des Museums von Kronstadt, zu Händen Doktor Lorin!“

„Ägyptische Sammlung? Ach, und Sie glauben, dass wir dort den Sarkophag und den Papyrus finden, den Kharis Ma sucht?“

Van Helsing zuckte die Achseln.

„Wir werden sehen. Auf jeden Fall übernehmen wir diese Teppichlieferung! Auf zu Herrn Doktor Lorin!“

Der Name Alexander van Helsing öffnete ihnen die Türen des Museums. Eine bildhübsche, rassige Sekretärin mit gelackten schwarzen Haaren führte sie durch die Gänge, und Jonathans Erinnerungen an Bianca wurden vom Wippen ihre Hinterteils in einem überaus engen und kurzen Rock kurzfristig überlagert.

„Doktor Lorin lässt bitten, mein Herren!“

Sie hatte eine hohe Flügeltür aufgestoßen, hinter der sich ein großes im Makart-Stil eingerichtetes Büro befand: schwere Portieren hingen überall, dazwischen gewaltige Ölschinken mit mythologischen Szenen – die vorzugsweise den „Raub der Sabinerinnen“ wiedergaben. Anscheinend ein Thema, das dem Hausherrn sehr am Herzen lag.

An einem mehrere Quadratmeter messenden Schreibtisch saß dieser, ein kleiner älterer Herr mit dünnen Haupthaar und weit hervorquellenden Froschaugen, und sprang sofort auf, als er van Helsing erblickte.

„Meine Herren, ich muss mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie so freundlich waren!“

Iwan ließ den Teppich, den er bisher geschultert hatte, auf den Boden plumpsen, der bereits mit einer zwei- bis dreifachen Schicht von Orientteppichen belegt war.

„Der gute Mehmet konnte selbst nicht kommen, sagte mir meine Mitarbeiterin?!“

Diese war noch in der Tür stehen geblieben und schloss sie nun auf einen Wink Dr. Lorins vornehm und leise von außen.

„Er ist – äh – verhindert, ja!“ bestätigte Professor van Helsing und fügte hinzu: „Sagen Sie, Doktor Lorin – da wir nun einmal hier sind, dürften wir uns wohl Ihre Sammlung ansehen?“

Iwan und Jonathan standen versunken in den Anblick der überaus saftigen Schinken, und auch der Besitzer der prallen Gemälde ließ seinen Blick wohlwollend auf seiner Sammlung ruhen.

„Sie meinen – ?“ fragte er, doch der Vampirjäger unterbrach ihn: „Ihrer ägyptologischen Sammlung, Doktor Lorin!“

„Ach so, ja – selbstverständlich, mein lieber Kollege, selbstverständlich! Es ist mir eine Freude und Ehre, wenn ein so berühmter Mann wie Sie – wenn ich einen so berühmten Mann wie Sie selbst führen darf!“

Viel lieber hätte van Helsing die Sammlung Doktor Lorins ohne dessen Begleitung besucht, doch daran war nun nicht mehr zu denken, denn schon rief der Ägyptologe seiner Sekretärin über die Sprechverbindung ins Vorzimmer zu:

„Erszebeth! Ich gehe mit den Herren nach unten! In die Sammlung!“

Ihre samtene Stimme antwortete sogleich: „Ja, Herr Doktor, ich weiß Bescheid!“

Lorin hatte unterdessen einige der drapierten Samtvorhänge zur Seite geschoben. Dahinter zeigte sich eine weitere hohe Doppeltür.

„Darf ich Sie hier entlang bitten, meine Herren! – Mein privater Zugang zu der Sammlung!“

Der Museumsdirektor öffnete die Tür und entzündete die Gasbeleuchtung dahinter, die eine breite nach unten führende Marmortreppe in warmes gelbes Licht tauchte.

„Hier haben wir noch kein elektrisches Licht, Herr Professor! Aber es sind nur einige wenige Stufen nach unten, in den alten Trakt der Universität. Das „Alte Reich“ befindet sich im alten Trakt – irgendwie passend, finden Sie nicht?“

Vorsichtig stiegen die drei Besucher hinter ihrem Gastgeber hinab und gelangten in einen Kreuzgang, in dem an Stelle gotischer Heiligenfiguren ägyptische und babylonische Statuen aufgereiht waren, die von oben mit blicklosen Augen auf die Besucher herab schauten.

Mit einem gewaltigen Redestrom ließ sich Doktor Lorin über seine antiken Kunstschätze aus, und Jonathan schwirrte in kürzester Zeit der Kopf von den exotischen Namen und Zeitaltern. Iwan gab sich auch den Anschein als höre er zu, während er sich in Wahrheit darauf konzentrierte, in seiner Erinnerung zu kramen, wo man hier in Kronstadt ein ordentliches Nachtmahl zu sich nehmen könnte.

„Und wenn Sie mir jetzt hier hinüber folgen würden, meine Herren,“ dirigierte Doktor Lorin seine Besucher in einen weiteren Seitenflügel seiner Sammlung. „Hier habe ich einige wunderbare Horus-Statuen, die Sie unbedingt noch sehen müssen!“

Jonathan schob Iwan hinter dem Archäologen her und hielt van Helsing am Ärmel fest.

„Haben Sie gemerkt, Professor? Er führt uns stets im Kreise um diesen Sarkophag da vorne!“

Tatsächlich stand in einer Ecke des Kreuzgangs ein gewaltiges ägyptisches Grabmal, das Doktor Lorin bisher mit keinem Wort erwähnt hatte.

„Sicher, Jonathan, ich habe es natürlich auch bemerkt!“ gab van Helsing zurück. „Aber wir können nichts tun, ohne seinen Verdacht zu erregen!“

Schon kam der kleine glubschäugige Ägyptologe auf sie zugeschossen.

„Ich habe den Eindruck, dass ich Sie vielleicht langweile, Professor van Helsing ?!“

Der wehrte sofort mit großer Geste ab.

„Keineswegs, Doktor Lorin! Überhaupt nicht, wir sind nur – äh!“

Eine genauere Antwort blieb dem Vampirjäger erspart, denn in diesem Augenblick klapperten die Absätze von Fräulein Erszebeth über die Steinplatten des Kreuzgangs heran.

„Herr Doktor – bitte zum Telefon! Es ist – die Polizei!!“

Schien es nur so – oder zuckte Doktor Lorin bei diesem Wort zusammen?

„Die Polizei?“ echote er. „Aber wie ist das möglich?“

„Wer weiß das schon, lieber Kollege?! Die Staatsmacht und ihre Einfälle werden uns wohl immer wieder vor neue Rätsel stellen!“

Der Museumsdirektor wirkte unschlüssig, ob er sich von seinen Besuchern trennen sollte.

„Aber gehen Sie nur, Doktor Lorin! Wir werden hier unten auf Sie warten!“

„Aber – ich – äh !“ stotterte Lorin.

Seine Sekretärin klapperte höchst aufgeregt mit ihren langen Wimpern.

„Es ist dringend, Herr Doktor! Es geht um Mehmet!“

Das gab den Ausschlag. Kaum hatte Erszebeth den Namen genannt, stürmte Lorin davon, verharrte noch einmal im Laufe seiner kurzen Beine und rief: „Ich bin sofort wieder bei Ihnen! Es ist sicher ein Missverständnis!“

Wieder rannte er drei Schritte und blieb noch einmal stehen.

„Bitte nichts berühren, meine Herren! Sie wissen ja, ich – äh – bis gleich!“

Damit entschwand er die Treppe hinauf in Richtung auf sein Büro.

Erszebeth war stehen geblieben und hatte anscheinend den Auftrag, die Besucher im Auge zu behalten.

Ein gezieltes Augenzwinkern des Professors nahm Iwan sofort auf. Schon stand er neben der rassigen Schönheit und beugte sich über ihre wogende Oberweite.

„Nichts berühren, hat er gesagt, der Herr Doktor ?!“ raunte er Erszebeth in die schönen kleinen Ohren. „Gilt das für alles hier?“

Doktor Lorins Sekretärin war natürlich – wie die meisten Frauen – dem gutmütigen Charme und der überaus kräftigen Figur des Russen verfallen und ließ ein tiefes Gurren wie das einer brünstigen Turteltaube hören.

„Gut macht er das, der Iwan!“ wisperte van Helsing seinen jungen Gefährten zu. „Kommen Sie, Jonathan! Schnell – zu dem Sarkophag!“

Mit leisen Schritten eilten die Beiden den Kreuzgang entlang hinüber zu dem steinernen Monument.

„Sehen Sie nur hier, Jonathan: Schleifspuren! Diese Platte ist vor nicht allzu langer Zeit bewegt worden!“

Schon lehnte sich van Helsing mit der Schulter gegen die Abdeckplatte. Doch sie bewegte sich keinen Millimeter.

Erst als auch Jonathan Harker mit seiner jugendlichen Kraft zupackte, gelang es ihnen den Deckel um einen Viertelmeter zu verschieben.

Van Helsing schaute hinein.

„Ist die Mumie drin?“ fragte sein junger Gehilfe aufgeregt.

„Die Mumie nicht!“ verneinte der Professor. „Aber das hier!“

Triumphierend zog van Helsing die Hand wieder aus dem Sarkophag und zeigte seinen Fund, ein Stück von einem augenscheinlich uralten Papyrus!

Jonathan starrte auf den fetzen Pergament – sollte er ihm den Weg zu seiner angebeteten Bianca weisen?

„Können Sie den Papyrus entziffern?“

Van Helsings Augen flogen über das uralte Pergament.

„Das ist nicht ganz einfach, Jonathan! Hm … hier steht Kharis Ma … hier: Im-Po-Thep, der Pharao … Kharis Ma grüßt die Nachgeborenen – !“

„Nur um sie zu vernichten!“ dröhnte in diesem Augenblick eine tiefe Stimme durch den Raum, die ihnen nur zu bekannt war – es war:

„Die Mumie!“

Iwan hob seinen Kopf aus dem Dekolleté der drallen Erszebeth.

„Verflucht – woher kommt Monster jetzt ?!“

„Aus der Tiefe der Zeit komme ich,“ verkündete die Stimme der Mumie, „und mit mir kommt der Tod – für Euch!“

Die unheimliche Gestalt fixierte als erstes den jungen Harker, und schneller als irgend jemand gedacht hatte, war die Mumie bei ihm und packte ihn mit eisernem Griff an der Gurgel.

Natürlich wollte Iwan ihm sofort zu Hilfe kommen, doch seine neue Bekannte klammerte sich mit solcher Inbrunst an ihn, dass er sich nicht bewegen konnte.

So schrie er nur: „Professor! Ihr Revolver! Schießen Sie! Feuer!“

„Aber, Iwan! Wir wissen doch, dass Kugeln nichts nützen! Doch halt!“

Van Helsing hielt inne.

„Was sagst du da eben, Iwan? Feuer? Ja, Feuer!! Das wäre eine Möglichkeit …!“

„Professor,“ gurgelte Jonathan mit letzter Kraft nach Atem ringend, „tun Sie was! Irgendwas!“

Das Ungeheuer hob den Jüngling am Hals empor wie eine Gans, die zu schlachten und zu füllen war.

„Du, Jüngling, sollst der erste sein, der eingeht in das Totenreich!“

Dem in der Luft Gebeutelten wurde schwarz vor Augen. Er würgte noch hervor: „Bi – an – an – ca … wo bist du? Wo …?“

Ein seltsames Leuchten ging über das durch die Jahrtausende verrunzelte Gesicht der Mumie.

„An-an-ka … meine Geliebte! Sie ist in Sicherheit – sie wartet auf Kharis Ma – in alle Ewigkeit!“

„Iwan!“ rief Van Helsing zu seinem treuen Diener hinüber. „Hast du Feuer?“

Der Russe, an dessen breite Brust sich noch immer die üppige Erszebeths presste, war irritiert.

„Da! Aber, Professor! Warum jetzt rauchen?“

Es gelang ihm tatsächlich, sich so weit aus Erszenebeths Armen zu lösen, dass er ein Streichholz entzünden konnte.

„Ich will doch nicht rauchen!“ erklärte Van Helsing, der sich an der Mumie vorüber zu seinem Diener schlängelte. „Ich will diesen verfluchten Papyrus verbrennen!“

Mit diesen Worten hielt er das uralte Dokument in die Zündholzflamme.

„Ha! Nein! Das darf nicht sein!“ schrie Kharis Ma – doch vergebens, denn das staubtrockene Papyrus fing sofort Feuer.

„Luft!“ gurgelte Jonathan, den die Mumie fahren gelassen hatte, um auf Van Helsing zu zu stapfen.

In diesem Augenblick trippelte der froschäugige Dr. Lorin die Treppe in seine unterirdische Schatzkammer wieder herunter.

„Was ist denn hier los?“

Mit einer strengen Handbewegung schickte der Museumsdirektor seine Sekretärin nach oben zurück. Erszebeth löste sich mit sichtlichem Bedauern von dem starken Iwan und lief die Treppe hinauf.

Erst jetzt entdeckte Lorin die hohe Gestalt der Mumie, die bisher hinter den drei Abenteurern verborgen gewesen war.

„Kharis Ma?“ hauchte er.

Der Uraltägypter schien sich vor Schmerzen zu winden.

„Du – das ist dein Werk!“ versuchte er auf den kleinwüchsigen Lorin zuzuwanken, der erschreckt aufkreischte: „Kharis Ma … nein! Nicht!“

Van Helsing kniff die Augen zusammen. Ihm war klar geworden, was hier vorgegangen war. Der Papyrus in seiner Hand war bis auf ein kleines Fetzchen verbrannt.

„Doktor Lorin! Sie haben die Mumie zum Leben erweckt?!“

Das unheimliche Wesen stimmt murmelnd zu: „Er war es, der mir das Leben zurück gab – aber was bedeutet es mir – ohne Ananka … Ananka, wo bist du?“

Wild ruderten seine Arme durch die Luft, immer langsamer und mühevoller wurden seine Bewegungen. In einem letzten Aufbäumen wankte die Mumie zu Doktor Lorin hinüber.

„Ich sterbe – endlich! Aber ich gehe nicht allein!“

Nur mit Mühe konnte Kharis Ma seine Arme heben. Er versuchte, seine krallenartigen Hände um den Hals des Museumsdirektors zu legen. Doch seine Bewegungen wurden immer fahriger und unkontrollierter.

Von dem Papyrus in van Helsings Hand war nur jetzt nur noch ein winziger Rest übrig, an dem die Flamme leckte.

„Wo hast du Ananka? – Sie … gehört … doch … mir!“

Kharis Ma griff mit einer unkontrollierten Handbewegung nach dem Gesicht Doktor Lorins.

Dabei geschah etwas Seltsames, Unheimliches, Grausiges – das Gesicht des Operndirektors schien zur Seite zu rutschen.

„Hee, halt – meine Maske!“ kreischte der merkwürdige kleingewachsene Mann.

Voll Entsetzen beobachtete Jonathan, wie hinter dem vorgeblichen Gesicht des Doktors, das in Wirklichkeit eine sorgfältig gearbeitete lebensechte Maske war, ein schrecklich verzerrtes und verunstaltetes Antlitz zum Vorschein kam.

„Mein Gott, was ist das?`“ stöhnte der junge Mann.

Mit der ersterbenden Flamme verlosch in diesem Augenblick das künstliche Leben der Mumie.

Iwan knurrte: „Mumie ist – !“

„Tot – anch – amun – aah!“ verröchelte das uralte Wesen aus Ägypten.

Entsetzt beobachteten Van Helsing und seine Freunde, wie Kharis Ma in atemberaubender Geschwindigkeit immer mehr einschrumpfte, vertrocknete und schließlich zu Staub zerfiel.

Doch mindestens den gleichen Schrecken verbreitete in diesem Augenblick das wahre Gesicht Doktor Lorins, das ihnen nun entgegen starrte.

„Was ist – mit seinem Gesicht?“ stammelte Jonathan Harker.

Van Helsing wollte etwas sagen, doch die nun eiskalt und schneidend klingende Stimme Lorins kam ihm zuvor.

„Das Gesicht, meine Herren? Das, was Sie für mein Gesicht hielten, ist nichts anderes als eine Maske!“

Mit einem schnellen Schritt stand Lorin an einer Wandverkleidung, die im selben Augenblick zur Seite glitt.

„Jawohl, eine Maske! Und bevor ich mich von Ihnen verabschiede, um zu der lieblichen Bianca zu eilen, sollen Sie noch wissen, mit wem Sie es zu tun hatten: mit mir, Lorin, dem Phantom der Oper!“


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Das „Hawelka“ und ich

8. Januar 2012 · Keine Kommentare

Das „Hawelka“ und ich
Als ich zum ersten Mal das Café Hawelka betrat, ahnte ich nicht, in was für eine neue Welt ich kommen sollte. Ich war 20 Jahre alt und noch nicht einmal einen Monat in Wien. Ich war aus Deutschland hierhergekommen, weil ich auf keinen Fall zur Bundeswehr einrücken wollte – so etwas wie einen Ersatzdienst gab es damals noch nicht. Entkommen aus einem Eltern-Reihenhaus, einem humanistischen Gymnasium, einer norddeutschen Halb-Großstadt.
Wien kannte ich schon von einigen Ferientagen, kannte das Schloss Schönbrunn, die Wohnung meiner Verwandten in der Reisnerstraße im vierten Wiener Gemeindebezirk; ich kannte den Westbahnhof, an dem man von Deutschland aus ankam, praktisch seit seiner Erbauung, und ich kannte den Nordwestbahnhof, von dem aus man in meinen Geburtsort Hollabrunn fuhr, noch als Ruinenlandschaft. Was ich nicht kannte, war die Wiener Kaffeehauslandschaft, schon gar nicht das Hawelka.
„Das musst du kennen, wenn du in Wien bist,“ war die nachdrückliche Aufforderung, ausgesprochen in einem verrauchten Studentenlokal namens „Atrium“ in der Nähe des Schwarzenbergplatzes. Dorthin gingen damals praktisch alle Studenten irgendwann einmal, denn es gab kein anderes. Man erhoffte sich dort erste Kontakte in der neuen Heimat, vor allem Kontakte zu Angehörigen des weiblichen Geschlechts. Angeblich kamen ins „Atrium“ hübsche Mädchen auf der Suche nach schlauen Studenten. Mich suchte und fand dort eine hübsche junge Mutter namens Nicki mit vierjährigem Sohn und einem Ehemann, der viel unterwegs war. Doch das ist eine andere Geschichte.
So ging es aus dem „Atrium“ ins Hawelka. Für ein paar Jahre sollte es zu meinem Wohnzimmer werden, zu meiner kleinen Kreditanstalt, zu meinem Schnellimbiss. Die drei Ober, die damals durch das Kaffeehaus kreisten, Josef, Theo und Heinz, wurden meine Kreditgeber – wieso sie einem deutschen Studenten wie mir vertrauten, weiß ich nicht. Es waren wohl einfach andere Zeiten damals. Wenn mein Monatswechsel aufgebraucht war und die letzte Dose Thunfisch gegessen, dann gab es immer noch den Weg ins Hawelka. Gegen das feste Versprechen, die Schulden gleich am nächsten Ersten zurückzuzahlen, gab es für den hungrigen Studenten ein Paar Debrecziner und eine Flasche Bier als Notverpflegung am Abend, und zum Frühstück (und Mittagessen) Ham and Eggs oder eine Eierspeis von zwei Eiern.
Der erste Eindruck, den ich vom Café Hawelka bekam, war für den noch nicht Volljährigen aus Norddeutschland etwas befremdlich. So etwas hatte ich in Bremen noch nicht gesehen. Es war früher Abend, in der Dorotheergasse vor der Tür des Hawelka lagen schmutzigen Schneereste, den die vielen Füße in das Lokal hineintrugen. Auch mein Schuhwerk, das dem Wiener Wetter nicht genügte, war von dem Schneematsch vollgesogen, die angejahrten Sohlen leisteten kaum Widerstand. Nasse Socken waren an der Tagesordnung, an das Frösteln von unten her hatte ich mich schon gewöhnt.
So trat ich durch den schweren Vorhang aus dickem Loden, der das Café von der Nässe und Kälte draußen vor der Tür abschirmen sollte, die schwallartig mit jedem Gast dann doch ins Lokal drängte. Den Neuankömmling, der erst einmal orientierungslos um sich schaute, rempelte ein kleiner korpulenter Kellner – es war, wie ich schnell erfuhr, der Herr Josef – zur Seite, der mit mehreren kleinen Blechtabletts voller Kaffeetassen, Bierflaschen und Wassergläsern eine scharfe Kurve direkt an der Eingangstür nahm.
Ich muss wohl ziemlich versteinert da gestanden haben, denn mit einem Mal ergriff eine ältere Frau mit einer aufgelösten Dauerwelle als Frisur mit hartem Griff meinen Oberarm und säuselte mit schriller Stimme in mein Ohr: „Wollen Sie einen Platz?“ Doch im selben Augenblick ließ sie mich wieder los und verschwand hinter einer Tür schräg hinter mir, direkt neben dem Eingang. Von dort erklang ein schrilles Klingeln und kurz darauf die schrille Stimme meiner neuen Bekannten, die laut in die Rauchschwaden des Lokals hinaus rief: „Herr Neusser? Herr Neusser – Telefon!“
Die dick gepolsterte Tür dichtete die Telefonzelle gegen den ständigen Geröuschpegel des Cafés ab, drinnen konnte man nicht nur telefonieren und in außergewöhnlich dicken Telefonbüchern die nötigen Nummer nachschlagen, sondern man konnte auch angerufen werden! Eine Besonderheit, die ich bisher nur aus amerikanischen Filmen kannte, die aber für mich bald eine große Bedeutung gewinnen sollte. In den sechziger Jahren, von denen wir hier sprechen, hatte niemand ein Handy, und nur die wenigsten Studenten hatten eine Unterkunft, in der es ein Telefon gab. So gab ich schon bald als meine Telefonnummer die des Hawelka an.
Da ich das nicht alleine tat, klingelte das Telefon hier praktisch ununterbrochen, wenn nicht der eine oder andere Gast aus Geschäfte oder Liebesgeschäfte abwickelte und die Telefonkabine geraume Zeit besetzt war. Der Kaffeehausgast, der auf einen wichtigen Anruf wartete wie auf einem Bissen Brot, saß wie auf Kohlen. Legte der Telefonierer endlich auf und trat gemessenen Schrittes heraus, sprangen sofort drei Gäste gleichzeitig auf, um zum Telefon zu sprinten. Den Sieg errang der Nächstsitzende, und es gab Kaffeehausbesucher, die nach mehreren vergeblichen Versuchen die Hoffnung fahren ließen und lieber draußen im Regen nach einer freien Zelle suchen gingen. Andere stellten sich in der Nähe des Telefons auf, um eine günstige Pole Position zu gewinnen, wurden aber schnell vom grantelnden Ober Josef wieder auf ihren Platz gewiesen. „Das geht doch nicht! Das sehen Sie doch! Da kommt man ja nicht vorbei!“
An dieser Engstelle des Lokals stand ich also in diesem Jahre 1963, Menschen drängten an mir vorbei hinaus und hinein, der Ober umkurvte den Zeitungstisch, und die Chefin – das war die Dame mit der ramponierten grauen Dauerwelle – hatte den Herrn Neusser in die Telefonzelle befördert und wandte sich wieder mir zu, um mir einen Platz zuzuweisen. Freie Platzwahl gab es – wie so häufig – an diesem Tag nicht. Dem Auge des ungeübten Besuchers erschien das Café voll besetzt, doch Frau Hawelka gelang es immer, noch einen Gast auf eine der roten Plüschbänke zu klemmen. Ich landete auf dem äußersten Ende einer solchen Bank ganz in der Nähe des Eingangs und wartete auf den Ober.
Der Tisch mit den Zeitungen direkt an der Eingangstür erregte meine Aufmerksamkeit – so etwas hatte ich auch noch nie gesehen. In meinem bisherigen Leben gab es eine Tageszeitung, die mein Vater im Abonnement bezog, seit ich denken konnte: den „Weser-Kurier“. Sonst kannte ich vom Kiosk in der Nähe des Alten Gymnasiums noch die BILD-Zeitung und die „Hamburger Morgenpost“, die ich mir hin und wieder leistete, wegen der dort abgedruckten Comicstreifen mit den Peanuts und Willi Wacker (Popeye).
Hier im Hawelka hingegen gab es einen Berg von Tageszeitungen – von denen es damals noch deutlich mehr gab als heute – österreichischer wie deutscher, Provenienz (selbst die Neue Zürcher Zeitung war vorrätig), daneben Wochenblätter, Nachrichtenmagazine, Kulturzeitschriften – einfach alles, was ein Kaffeehausbesucher in stundenlangen Sitzungen studieren konnte. Die Zeitungen waren in hölzerne Zeitungshalter geklemmt, mit denen man sich ohne weiteres duellieren konnte, wenn zwei Gäste an einem kleinen Tisch großformatige Blätter zum Kaffee konsumieren wollten.
Hatten sich im Laufe des Tages zu viele Zeitungen an den Tischen und auf den Polsterbänken versteckt, drehte einer der Ober eine Runde durch das Lokal, sammelte das verloren gegangene Lesegut ein und türmte es wieder auf die wenigen verbliebenen Blätter auf dem Zeitungstisch. Wenn man Pech hatte, landete die Zeitung, die man suchte, ganz unten in dem Riesenkonvolut, und es konnte leicht vorkommen, dass beim Graben nach dem wertvollen Stück der ganze Berg ins Wanken geriet und vom Tisch kippte. Kopfschüttelnd und mit strengem Gesicht begleitete der Herr Josef dann die Bemühungen des Gastes, das Unglück wieder zu bereinigen.
Lag die gesuchte Zeitung jedoch günstiger weiter oben im Stapel, ergriff sie vielleicht trotzdem ein anderer Leser, knapp bevor man selbst zugreifen konnte, und behielt sie dann für eine gute Stunde bei sich. Und natürlich war es eine der Zeitungen, von denen es nur ein einziges Exemplar im Kaffeehaus gab. Eine traurige Angelegenheit!
Direkt hinter dem Tisch mit den Zeitungen, an der ersten Säule des Cafés stand der „runde Tisch“, um den bis zu zehn Stühle passten, wenn man eng zusammenrückte. Wenn, ja wenn man überhaupt zu diesem Tisch zugelassen wurde …! In der Hierarchie des Hawelka in dieser Zeit rangierte dieser Tisch sehr weit oben.
Die ganz große Hawelka-Zeit lag damals – wie eigentlich immer – ein paar Jahre zurück. Stets bekam (und bekommt vermutlich auch heute noch) der Erstbesucher zu hören: „Damals – vor zehn (acht – fünf) Jahren hättest du herkommen sollen – da saß hier noch der (ad lib) Doderer, Qualtinger, Oskar Werner (ad infinitum). So ging es uns in den frühen Sechzigern auch schon: die großen Zeiten waren vorbei – daran gab es nichts zu rütteln.
Der erste, der runde Tisch am Eingang hatte seine ganz eigene Prominenz – es waren keine berühmten Künstler, die dort saßen, es waren Angehörige der „besseren Kreise“, wohl auch manchmal von Adel (den es ja offiziell in Österreich gar nicht mehr gab), oft sehr reifen Alters und mit (natürlich echtem) Schmuck behangen. Gräfinnen und andere ältere Damen hielten dort Hof. Als frischer Gast ohne jeden noblen Hintergrund wurde man vom Ober sofort vertrieben, wenn man es wagte, sich an diesem Tisch niederzulassen. Es dauerte Monate, wenn nicht Jahre, bis man die nötigen Kontakte hatte, um an den Rand dieses Tisches rücken zu dürfen. Wenn man dann zuhörte, was gesprochen wurde, wunderte man sich innerlich, wozu man das eigentlich so lange sehnsüchtig erstrebt hatte.

Mein Hawelka (2)

Wo man im Hawelka Platz nahm, das war nicht immer eine Sache der eigenen Entscheidung – oft wurde man von der Chefin an einen Tisch gewiesen, an dem man niemanden kannte. Da hieß es dann ausharren, bis die anderen Gäste gingen und man eine selbst eine eigenen kleine Gemeinschaft bilden konnte. Wen lernte man im Hawelka kennen? Als Student natürlich erst einmal Mitstudenten, dazu kamen in meinem Fall junge notleidende Schauspieler und deren Begleiterinnen, verkannte Künstler mit zerwühltem Haupthaar, manchmal auch junge Ehefrauen auf der Suche nach einem Seitensprung – aber das waren glanzvolle Ausnahmen.

Das „Hawelka“ wurde mein Zuhause. Ich schrieb meinen Eltern die vertrauenerweckenden Zeilen: „Man setzt sich am Vormittag hinein, bestellt einen kleinen Braunen um 4,- öS, bleibt bis zum Abend dort, geht zwischendurch essen, schreibt und liest dort, man trifft Leute und bekommt, so oft man will, noch ein Glas Wasser. Es ist schon eine herrliche Einrichtung, das Kaffeehaus.“

Wahrscheinlich haben meine Eltern sich das Dasein eines fleißigen Studenten anders vorgestellt, aber für mich war dieses Leben eines jugendlichen Bohemiens einfach „cool“, wie man später dazu gesagt hätte. – Für dieses Leben reichte der Scheck von zu Hause vorne und hinten nicht aus. Gottseidank war das Hawelka damals auch so eine Art Jobbörse für Studenten in Geldnöten. Mein wichtigster „Kontaktmann“ wurde ein Musikstudent namens Elmar Prack – nicht verwandt mit dem berühmten Rudolf gleichen Nachnamens. Neben seinem Studium und der andauernden Jagd nach dem schönen Geschlecht hatte Elmar eine Einnahmequelle gefunden, die auch für mich interessant werden sollte. Er war Komparse am Wiener Volkstheater – und das galt im Hawelka schon etwas!

Eines Tages kam er mit der Nachricht ins Café gestürmt, dass „die Amerikaner“ in Wien waren. Tatsächlich drehte im Frühjahr 1963 Otto Preminger hier einige Szenen für seinen Spielfilm „Der Kardinal“ . Romy Schneider, Peter Weck und Josef Meinrad bestritten wichtige Parts in der Wiener Episode. Und nun hieß es, die Amerikaner suchten auch jede Menge Komparsen. Angeblich sollte auch gut gezahlt werden – mehr als sonst in Wien üblich. Die Rede war von Koparsengagen zwischen 300 und 500 Schillingen – wenn man von Zuhause 2.000 Schilling bekam, war das ein ordentliches Zubrot.

Das Hawelka brodelte im Gerüchtefieber: junge Soldaten würden gesucht, SS-Männer – für einen, der gerade vor der Bundeswehr geflohen war, nicht die erstrebenswertesten Rollen. Aber dann kam die nächste brandheiße Information: es sollte ein Ball gedreht werden, und dafür benötigten die Amis einen ganzen Saal voll walzertanzender Jugend. Außerdem sollte es für die Tänzer sogar noch eine Zulage geben – noch mehr leicht verdientes Geld wie es schien. Walzer – nun, das war in der Tanzschule in Bremen nicht gerade mein Lieblingstanz gewesen, doch in langen Diskussionen im verrauchten Hawelka waren wir uns bald einig, dass das schon klappen würde mit dem Tanzen. Zur Not konnte man ja auch noch eine Partnerin finden, die einem vor dem Dreh Nachhilfe gab.

Es kam der Tag des „Castings“ – das damals noch nicht so hieß. Mehr als 300 junge Menschen beiderlei Geschlechts hatten sich gemeldet. In einem Studio am Rosenhügel  wurden die Kandidaten für den Balltanz an die Wand gestellt (im wahrsten Sinne des Wortes), und so kam ich mir auch vor.

Es war kalt in Wien, aber hier drinnen stand mir der Schweiß auf der Stirn. Die Partnerin, die mir – nach der Größe, nicht nach Sympathie – zugeteilt worden war, verfügte leider über keinerlei didaktisches Talent, sondern wollte nur selbst brillieren. Gnadenlos ließ sie mich an meinem eigenen langen Arm verhungern. Selbst der Einsatz des renommierten Ballettmeisters Frenzel von der Wiener Staatsoper nützte nichts. Zwar hörte ich seine Anweisungen, allein mir fehlten die notwendigen Tanzschritte.

Bei der Auswahl durch die Filmleute ein paar Tage später ging es mir keineswegs besser. Hilflos stolperte ich über das Parkett und wurde nach kürzester Zeit des Saales verwiesen. An der sich schließenden Hohen Tür versicherte mir der Komparsenführer, den ich entfernt kannte, dass sicher noch etwas für mich den Uniformierten drin wäre. Doch davon hörte ich nie wieder etwas. Einige Freunde, die man in Nazi-Uniformen gesteckt hatte, berichteten von den Dreharbeiten: sie „fuhren mit uralten Autos durch die Gegend, während Peter Weck gerade aus dem Fenster stürzt,“ notierte ich damals. Den Film „Der Kardinal“ habe ich mir aus Rache niemals angesehen. Und im „Hawelka“ war der Dreh sowieso in kürzester Zeit wieder Schnee von gestern.

Denn nun kamen die guten Beziehungen meines neuen Freundes Elmar zum Volkstheater zum Zuge: in dem Stücke „Eiche und Angora“ fehlte ein hochgewachsener junger Mann, der während der Nazizeit an die im Titel erwähnte gefesselt werden und – allerdings hinter der Bühne – dann auch umgebracht werden sollte. Ich glaube, ich hatte sogar einen Satz zu sagen. Elmar selbst hatte nicht die nötige romantische Erscheinung und stand außerdem in der „Mutter Courage“ auf der Bühne, so kam ich zum Zuge.

Doch im „Hawelka“ passierten weitere einschneidende Dinge. Ich lernte einen Studenten von der Filmakademie namens Gabor kennen, der angeblich im Jahr zuvor das beste Drehbuch der Akademie geschrieben. Als angehender Jungdichter hatte ich natürlich immer ein paar eigene Texte zur Hand, die ich besagtem Gabor zeigen durfte. Er gab mir den Rat, doch einmal ein Drehbuch zu schreiben – damit kannte er sich aus und versprach mir, es durchzuschauen und mir zu sagen, was noch nicht in Ordnung sei. Ich weiß nicht mehr, ob es je dazu kam, aber vermutlich wäre es Gabor leichter gefallen, mir die Stellen im Drehbuch zu zeigen, die „in Ordnung“ waren.

Meinen Eltern schrieb ich damals voll Begeisterung über das „Hawelka“ und die Prominenz, die ich selbst jedoch nie zu Gesicht bekam: „Es ist eine Art Künstlerklause, wo auch ab und zu bekannte Leute hinkommen wie der Hans Weigel, Heimito von Doderer, Fritz Hochwälder. Und Schauspieler wie der Oskar Werner.“

Für mich war das „Hawelka“ das Wohn- und Arbeitszimmer, wenn ich nicht in einer Vorlesung saß. „Denn in meinem Zimmer halte ich es nie lange aus!“ Das Gefühl teilte ich mit vielen der Kaffeehausbesuchern, die ich kannte. Man lebte damals in möblierten Zimmern bei missmutigen Vermieterinnen, für die Heizung musste man selbst sorgen – da gab es einen gusseisernen Ofen, der zwar Briketts fraß, aber keine Wärme daraus ableitete. Da war ein gut geheiztes Kaffeehaus in jedem Fall die angenehmere Bleibe. Nach einem Monat musste ich dieses Quartier gleich wieder aufgeben, weil die Vermieterin wegen „einer Herzgeschichte ins Spital“ musste, und ihr Sohn ebenso „wegen eines Ekzems an den Händen“.  Der Versuch, mit Elmar und dem Schauspieler Klaus Münster eine möblierte Dreizimmerwohnung im 9. Bezirk zu ergattern, scheiterte – woran, weiß ich nicht mehr.

Jedenfalls zog ich nicht zu den beiden Mimen, sondern zu dem Salzburger Werber Walter Lürzer, der damals auch „Hawelka“-Stammgast war und später zu einem der bekanntesten deutschen Werbegurus werden sollte. Er bewohnte eine Wohnung weit draußen an der Reichsbrücke, wo er selbst jedoch selten war. So konnte ich dort eine Zeitlang bleiben – ungünstig war nur der weite Weg ins „Hawelka“. Pläne wurden dort aber weiter geschmiedet: Walter ;Lürzer hatte den Plan, eine Zeitschrift für Mädchen zwischen 16 und 25 herauszubringen, die „Boutique“ heißen sollte, und schon war ich dabei. Im „Hawelka“ ging einfach alles  – bzw. nichts, denn aus diesem Plan wurde natürlich auch nichts.

Natürlich saß man auch manchmal im Hawelka, mit sich und der Welt völlig im Unreinen. Weltschmerz und eigenes Leid hingen schwarz über dem Kaffeehausbesucher an seinem Tisch, und er versenkte sich lange Stunden in bitteren Kaffee und noch bitterere Gedanken.

Wenn man Anfang Zwanzig ist, kommen dabei häufig Gedichte zu Papier, über die man in reiferem Alter bestenfalls noch den Kopf schütteln kann. Oder? Ist vielleicht doch manch Wahres an dem, was man damals schrieb?

Im Café

Wir sitzen

Im Café Egal

Und schauen

Uns an

Und sehen

Uns nicht

Und trinken

Unser Blut

Mit Milch

Und viel Zucker.

Rauchen

Unseren

Letzten Atem

Und lesen

In der Zeitung

Unsre

Todesanzeigen.

Der Ober Josef nahm es jedenfalls bald recht wohlwollend zur Kenntnis, wenn der junge Literat Kugelschreiber und Papier auf den Tisch breitete. Er stellte die Wassergläser dann höchst vorsichtig daneben, um das Blut des Dichters nicht mit schnödem Leitungswasser zu verwaschen. Die Gedichte bekam er genauso wenig zu lesen wie sonst jemand.

Der Dichter

Die überaus traurige Geschichte vom Untergang einer Familie

Motto: Wer immer strebend sich bemüht, den sehen wir gern dösen.

(„Faust“, unterdrückte Fassung)

Es saß in Wien im Hawelka

Ein Dichter zwanzig Jahre.

Verließen auch die Haare

Den Dichter dort im Hawelka,

er dichtete dort vor sich hin.

Doch dies Familienübel

Befördert‘ in den Kübel

Gevatter und Gevatterin.

Der Vater starb an Diphterie,

die Mutter an der Pest.

Der Bruder starb in Brest

(ein Hamster biss ihn dort ins Knie).

Den zweiten Bruder, Adalbert,

traf des Geschickes Macht

in Stanleyville bei Nacht,

ihn trat ein altes Pferd.

Die blonde Schwester Adelheid

Ging sorglos auf den Strich,

woselbst sie schnell verblich;

(sie war ja nie besonders g’scheit!).

Auch Großpapa und seine Frau –

Die beiden waren achtzig –

Sie haben unbedacht sich

Gestürzt in einen Topf Kakao.

Der Onkel Theo, ohne Scham,

versank mit fünfzehn  Kindern,

um seinen Schmerz zu lindern,

im Rhein, was man ihm übelnahm.

Die Tante Elli aus Hernals –

Sie war schon immer schüchtern,

drum starb sie auch nicht nüchtern –

fand man mit einem Strick am Hals.

Jedoch es saß im Hawelka

Der Dichter noch zehn Jahre,

bis dass auch ihn die Bahre

heraustrug aus dem Hawelka.

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„Star Wutz“ und „Frittenstein“

7. September 2011 · 9.500 Kommentare

Immer wieder schlagen sich Fans dieser Hörfunk-Parodien auf „Star Wars“ und „Frankenstein“ zu mir durch. Ich hoffe, daß diese Mitteilung es für alle leichter macht, die mich und meine Werke im Internet suchen. Die Sendungen liefen damals (80er Jahre) im WDR und wurden von einigen ARD-Anstalten übernommen. Ich habe sie (wie das Meiste aus meinem Schaffen) digital archiviert und stehe Anfragen grundsätzlich positiv gegenüber!

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Dallas – Nix Dolles!

7. September 2011 · 10.669 Kommentare

Nun kommt also „Dallas“ wieder – das erinnert mich an meine Hörfunk-Parodie zu dieser TV-Serie in den 80er Jahren: „Nix Dolles“ mit meinem unvergessenen Freund Diether Krebs in der Rolle des „Dschä-arr“. Die Serie spielt in Ostfriesland (Wo sonst?) – wer sich dafür interessiert, bitte melden!

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Twilight – dailies

17. Dezember 2009 · Keine Kommentare

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